Alles ist relativ

Wir feiern 2005 das „Einstein-Jahr“: 1905 hatte der geniale Physiker mit fünf wissenschaftlichen Aufsätzen in einem Jahr das alte Weltbild zertrümmert. Neben der Einführung der Quantenphysik (Masse ist nur eine besondere Form von Energie) hat vor allen Dingen die Relativitätstheorie das Denken des modernen Menschen fasziniert. Heute wissen wir (oder glauben wir zumindest zu wissen), dass Zeit unterschiedlich schnell abläuft, je nach dem Standpunkt des Betroffenen. Hängen geblieben ist bei den Meisten wohl der Satz: „Alles ist relativ!“
Was hat jetzt die Relativitätstheorie mit den deutschen Baumärkten zu tun? Sieht man sich die brancheninterne Aufregung um Rabattschlachten, Preiskämpfe, Serviceoffensiven, Lieferantenauslistungen etc. an und vergleicht alles mit dem, was in anderen Branchen wie LEH, Möbelhandel oder im Elektro- und Elektronikbereich los ist, so kommt man schnell zu der Erkenntnis: „Alles ist relativ!“
Die Aktionen, die Praktiker seit zwei Jahren fährt, und die Werbeschlachten, mit denen einige Wettbewerber darauf antworten, sind angesichts dessen, wie aggressiv Mediamarkt und Saturn sich platzieren, fast schon provinziell. Ähnliches gilt, wenn man einen Blick auf die Entwicklungen in den letzten Jahren beim Lebensmitteleinzelhandel wirft. Die Preisschlacht, die dort stattgefunden hat und immer noch läuft, hat die Margen in einem Maße versaut, dass der LEH von Durchschnittsrenditen von um die zwei Prozent wie im bundesdeutschen DIY-Bereich nur träumen kann. Vergleichbares gilt auch für den Möbelhandel, der von einer Konzentrationswelle und harten Preiskämpfen ohne gleichen getroffen wird.
Da – Entschuldigung! – kommen einem die Klagen der Baumarktbetreiber und DIY-Lieferanten manches mal wie Jammern auf hohem Niveau vor. Und man möchte so manchen Verantwortlichen, der im typischen Branchen-Autismus nur sich und sein Problem sieht, wach schütteln und rufen: „Hallo, mach endlich die Augen auf und sieh Dich um!“ Dann würde er vielleicht erkennen, dass, was den Zustand der Baumarktszene betrifft, tatsächlich vieles relativ ist: nämlich (noch) relativ besser als in anderen Branchen. Ohne das Verhalten von Praktiker zu rechtfertigen, muss man sich doch fragen: Welche eigenen Konzepte stellt man denn den Saarländern entgegen. Spielt nicht jeder beim Preisspiel mit?
Auf dem Handelskongress 2003 wurde in Berlin noch lebhaft und einmütig die „Geiz ist geil“-Werbekampagne von Saturn diskutiert und abgelehnt. Das sei Werbung mit dem Aufruf zur Konsumverweigerung, hieß es. 2005 wurde Saturn auf demselben Kongress mit einem Preis ausgezeichnet. Man lernt: Alles ist relativ!
Dr. Joachim Bengelsdorf
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