Mut zur Öffentlichkeit

Selten genug bekommt man in der Regel öffentlich mit, wenn in Wirtschaftskreisen Veränderungsprozesse oder Umgestaltungen stattfinden. Die Unternehmen sind ja doch meistens bemüht, ihre Umstrukturierungen auf möglichst kleiner Publizitätsflamme zu kochen. Auch für Journalisten, die ihr Ohr eher am Puls der jeweiligen Unternehmen haben sollten, ist es nicht immer ganz einfach, frühzeitig und en detail alles mitzubekommen.
Aber je größer das Unternehmen ist, desto wahrscheinlicher ist es auch, dass so manches nach außen dringt, was den Verantwortlichen den Schweiß auf die Stirn treibt. Das ist ganz normal. Das war in unserer Bau- und Heimwerkerszene so bei den Maßnahmen, die Praktiker in den vergangenen Jahren eingeleitet hat (so bleibt ja heutzutage so gut wie keine Rabattaktion der Kirkeler mehr bis zum letzten Tag geheim), und das ist bei Obi so, seitdem Sergio Giroldi dort das Steuer übernommen hat und Deutschlands Nummer eins unter den Baumärkten neu ausrichtet. Wer so groß ist wie Praktiker oder Obi, und wer noch zusätzlich wie Obi so heterogene Strukturen und Interessenslagen in sich vereint, bei dem kann nie der Deckel auf dem Topf, in dem die Gerüchte brodeln, so zugehalten werden, wie es manchem recht wäre.
Wer in den vergangenen Monaten den Obi-Chef bei seinen öffentlichen Auftritten genau zugehört hat, der kann nicht ernsthaft davon überrascht worden sein, dass sich Obi beispielsweise aus dem China-Geschäft zurückzieht. Der Tenor von Giroldis Äußerungen auf dem Internationalen Baumarktkongress in Köln, die deutliche Skepsis, die man da hörte, das war doch wohl Signal genug. Mut zur Öffentlichkeit hat Giroldi also durchaus. Und da war noch das ein oder andere Signal zusätzlich dabei, was aber wohl nicht so deutlich öffentlich wahrgenommen wurde. Überraschungen sind bei Obi also durchaus noch zu erwarten.
Wer hören wollte bei Obi, der konnte, ja musste also schon im voraus eine ganze Menge von dem mitbekommen, was jetzt so nach und nach Unternehmenswirklichkeit wird. Dass sich bei den Wermelskirchenern auch gegensätzliche Interessen formieren, ist auch verständlich und legitim, ja sogar wünschenswert. Wirtschaft ist ein Spiel von Egoisten. Je früher man das akzeptiert, desto besser kann man damit auch umgehen.
Sergio Giroldi hat mit seiner Meinung auf jeden Fall nicht hinter dem Berg gehalten. Und diese dürfte er, so schätze ich einmal, auch deutlich nach innen, also in Richtung Franchisenehmer, vertreten und gesandt haben. Ein gleich wie geartetes Ignorieren von Interessen seiner Franchisenehmer, gerade der großen, kann er sich gar nicht leisten.
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