Fusionitis oder was?

Elefantenhochzeiten sind in: Die Sucht zum Zusammenschluss scheint derzeit auch in der deutschen DIY- und Baustoff-Landschaft umzugehen

Ein Virus grassiert in Deutschland. Doch diesmal ist nicht von der asiatischen Grippe die Rede und auch nicht von der schlimmen neuen Form der Lungenentzündung, SARS genannt. Der Virus, über den wir hier reden, heißt „Fusionitis“. Und dieser ist zur Zeit, im Gegensatz zu den beiden zuerst genannten Erkrankungen, in Deutschland äußerst beliebt. Zumindest in Wirtschaftskreisen.
Unter Fusionitis versteht man die krankhafte Sucht zum Zusammenschluss. Diese Sucht – oder doch zumindest etwas ähnliches – scheint derzeit auch in der deutschen DIY- und Baustoff-Landschaft umzugehen. Elefantenhochzeiten sind in: Zeus und Hagebau, Interbaustoff und I&M, Baustoffring, Nowebau, FDF und EGN, Saint Gobain und Raab Karcher, Hornbach und Kingfisher. Gut, da sind nicht nur Fusionen dabei, auch Beteiligungen oder glatte Übernahmen. Das Ergebnis ist aber zumeist das gleiche: Die Baumarkt- und Baustofffachhandelsszene in Deutschland verarmt.
Dabei ist ja überhaupt nicht sicher, dass die Fusionen gelingen. Rund 70 Prozent aller Zusammenschlüsse misslingen mehr oder weniger, bei 58 Prozent kommt es beispielsweise zu massiven IT-Problemen. 1 + 1 ist eben nicht größer 2, sondern oft nur 1,5. Regiert statt Fusion also nicht allzu oft die Konfusion in den Unternehmen?
Viele Fusionen erfolgen nicht aus einer Position der Stärke heraus. Sie sind leider oft nur noch eine allerletzte Antwort auf massive betriebswirtschaftliche Probleme, sind der letzte Strohhalm, an den man sich noch klammert. Tragisch wird es, wenn sich zwei Partner finden, die wirtschaftliche/strukturelle Probleme haben. Wenn einer der Fusionspartner wenigstens stark ist, dann läuft es mehr oder weniger auf eine Übernahme heraus: Man nimmt sich das, was man noch brauchen kann. Der Rest wird zerschlagen, abgestoßen oder dicht gemacht.
Je größer die Unterschiede zwischen den Fusionspartnern sind, gleich ob bei der Unternehmens- und Kundenstruktur, den Produkten, den Vertriebswegen oder bei den IT-Systemen, je größer diese Unterschiede also sind, desto schwieriger fällt eine gewinnbringende Verschmelzung beider Firmen. Um wie viel komplexer wird alles, wenn statt von zwei von drei, vier oder gar fünf Partnern die Rede ist, die verschiedene Unternehmenskulturen haben und andere Kundengruppen ansprechen, deren Groß- und Einzelhandelsaktivitäten stark differieren und die beispielsweise über eine Vielzahl von unterschiedlichen Warenwirtschaftssystemen verfügen?
Man wünscht ja allen Glück und Erfolg. Aber ich fange schon mal an zu zählen und das Ergebnis stimmt mich keineswegs froh.
Ihr
Dr. Joachim Bengelsdorf
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