Die Lehre bunter Zwerge

 
Es tut sich was in der grünen Branche. Aber tut die Branche auch genug? Ich meine, wenn man sich anschaut, wie trendig Grün inzwischen ist, könnte man meinen, die Branche verschläft einen Boom: Gartenkolonien können sich vor Anmeldungen junger Familien kaum retten. Grillen auf der Terrasse ist hip. Im Fernsehen sind Gartensendungen so populär wie nie. Der Gartenzwerg wird in knallbunten Farben ironisiert, der Garten wird gerade auch bei jüngeren Zielgruppen gesellschaftsfähig, ja prestigeträchtig. Und der Zukunftsforscher Matthias Horx sieht das Gärtnern als ein von den drei Megatrends Individualisierung, Feminisierung und Alterung profitierendes Thema. Und was macht die grüne Branche aus diesem Boom? Sicher, sie eröffnet fleißig neue, umgebaute oder erweiterte Gartencenter. Dehner hat die Expansion in die Mitte und den Norden Deutschlands in Angriff genommen, die Sagaflor arbeitet strategisch geschickt beispielsweise an mehr Bellandris-Standorten. Die Egesa meldet, dass sie erst einmal keine Neuzugänge aufnehmen kann. Aber nutzt die Branche damit wirklich den Boom? Oft scheint sie im eigenen Kleinklein gefangen. Sie schlägt sich mit fehlenden LKW-Kapazitäten herum: Als in dieser turbulenten Saison die Kunden die Gartencenter schon im März und April stürmten, wurde die Ware knapp, teilweise weil es keine mehr gab, teilweise weil der Handel wegen seiner vorsichtigen Lagerpolitik seine Vorräte bald abverkauft hatte. Sie debattiert bevorzugt darüber, wie "wettergetrieben" sie ist: Die Wetterabhängigkeit in Abrede zu stellen, wäre natürlich töricht. Genauso töricht scheint es jedoch zu sein, sich mit dem Wettergott einen Dauersündenbock für Umsatz- oder Ertragsschwächen zu halten. Sie lässt sich keinen guten Rat geben: Diesen Eindruck hat man jedenfalls, wenn man sich Veranstaltungen wie den BHB-Gartenfachmarktkongress und die schwache Beteiligung des Handels anschaut. Das Herumsitzen auf Kongressen steigert die Produktivität des eigenen Unternehmens noch nicht. Aber wenn man die Erkenntnis ernst nähme, dass der Wettbewerb für ein Gartencenter heute keineswegs nur in anderen Gartencentern lauert, sondern überall dort, wo Lifestyle inszeniert wird, dann könnte es doch ganz nützlich sein, über den eigenen Tellerrand zu schauen. Vielleicht wird der Blick dann ja freier auf die Kunden und vor allem Kundinnen und das, was sie wirklich suchen.
Rainer Strnad
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