Das neue Lieferkettengesetz soll unter anderem Kinderarbeit eindämmen.
Das neue Lieferkettengesetz soll unter anderem Kinderarbeit eindämmen.

Lieferkettengesetz

Unternehmen sind jetzt gefordert

Am 25. Juni 2021 hat der Bundesrat ein neues Lieferkettengesetzgebilligt. Im Interview spricht Heike Möller von hmh consultingdarüber, was das für Unternehmen und Endkunden bedeutetund welche Ziele damit verfolgt werden.

Warum kommt das Gesetz jetzt?

Drei Jahre hatten deutsche Unternehmen Zeit, freiwillig ihre Lieferketten auf soziale Missstände zu prüfen. Natürlich haben einige große Unternehmen entsprechende Dokumentationen veröffentlicht, aber leider waren das Einzelfälle. Daher hat die Regierung reagiert und ein Gesetz eingeführt, sich der sozialen Verantwortung zu stellen und dazu jährlich Berichte abzugeben. Dieses trägt offiziell den Namen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz.

 

Was sieht die neue Rechtssprechung konkret vor?  

Im ersten Schritt sind ab 2023 Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitern verpflichtet und haften dafür, dass keine menschenrechtswidrigen Produktions- und Arbeitsbedingungen in ihrer kompletten Lieferkette, also auch bei Vorlieferanten, herrschen. Ab 2024 folgen die Firmen mit mehr als 1.000 Angestellten.  

 

Was bedeutet das nun für Unternehmen?

Alle Einkaufsabteilungen werden jetzt ihre Lieferkette überprüfen. Es wird auf die sozialen Aspekte geachtet, die aus den ILO-Kernnormen bekannt sind. ILO ist eine internationale Arbeitsorganisation. Deren Grundprinzipien sind zum Beispiel Ablehnung von Kinderarbeit und Sklavenarbeit sowie Diskriminierung und die Stärkung von Mitbestimmung und fairen Löhnen. Aber auch Umweltkriterien, die in einem direkten Bezug zu den Mitarbeitern stehen, werden herangezogen. Dabei handelt es sich beispielsweise um Nutzung und Lagerung von Chemikalien, Abfallmanagement oder auch Trinkwasserqualität. Am Ende wird alles ausgewertet, jährlich ein Bericht erstellt. Aus diesem gehen die Ist-Situation hervor sowie Maßnahmen, um Missstände zu verbessern. Des Weiteren muss ein Verfahren eingeführt werden, das Arbeitern in der Lieferkette eine Beschwerdemöglichkeit gibt.

Wie ist die Situation in der DIY- und Garten-Branche?

In unserer DIY- und Garten-Branche betrifft das vor dem Gesetz erst einmal die großen Einzelhandelsunternehmen. Denn viele zuliefernde Unternehmen sind eigentlich KMUs, also kleinere und mittlere Unternehmen. Für die Dokumentation der Lieferkette wird jedoch jede Einkaufsabteilung von ihren Lieferanten Nachweise erwarten, also auch von jedem KMU. Als Auskunft wird dann auch nicht reichen: „Wir waren dort, da sieht alles gut aus.“ Nein, man wird Auditergebnisse oder Zertifizierungen vorlegen müssen. Alles muss nachweisbar sein. Und genau das ist vielen dieser KMUs nicht wirklich klar. Unterschätzt wird außerdem die Zeit, die für die Erbringung der Nachweise benötigt wird. Entsprechende Zertifizierungen liegen häufig nicht vor. Alleine die Risikoermittlung, Bewertung und das Einsammeln der Nachweise, was an erster Stelle steht, benötigt bei vielen schon Zeit. Da sind schnell sechs bis neun Monate vergangen, bis man alles zusammen hat. Jedes seriös arbeitende Unternehmen sollte also jetzt starten, wenn es 2023 bei seinen Kunden Nachweise abgeben muss.  

Die Autorin

Heike Möller arbeitete mehr als 25 Jahre im Einkauf für verschiedene Einzel- und Großhandelsunternehmen und wurde schließlich Marketingkoordinatorin bei einem Zulieferer. In dieser Position bearbeitete sie Audits für Sozialstandards. Heute hilft die Beraterin besonders kleinen und mittleren Unternehmen, zu einer sozialverträglichen Lieferkette zu kommen – von der Analyse und Risikobewertung der bestehenden Lieferkette, der Vorbereitung von Produzenten auf Audits und, auf Wunsch, bis zur Begleitung von Kontrollbesuchen vor Ort.

Heike Möller

Welche Auswirkungen wird das neue Gesetz nach Ihrer Ansicht haben?

Es ist Wunschdenken zu glauben, wir könnten alles, was wir benötigen, ausschließlich im Inland oder in Ländern beziehen, deren System die sozialen Aspekte der Menschen vor Ort sichert. Darüber hinaus haben wir auch eine Verantwortung gegenüber den Menschen in diesen Ländern. Bezogen auf die soziale Gesamtsituation waren 2020 von 195 anerkannten Staaten 125 Risikoländer (Quelle: Weltbank WG-Index). Da kann ich nicht 30 Jahre lang mehr und mehr aus diesen Ländern importieren und jetzt sagen: vorbei. Jedes Unternehmen muss also Verantwortung dafür übernehmen, was in diesen Ländern unter welchen Bedingungen produziert wird. Kann also am Ende ein Lieferant seinem Einzelhandelskunden keine schlüssigen Nachweise erbringen, ist die dauerhafte Zusammenarbeit gefährdet. Des Weiteren wird es nicht mehr lange dauern und das Banklimit eines Unternehmens wird an dessen Nachhaltigkeitsstrategie gemessen. Außerdem legt der Entwurf der überarbeiteten EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung fest, dass ab dem Geschäftsjahr 2023 Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern und einer Bilanzsumme von mehr als 20 Mio. Euro oder einem Umsatz von mehr als 40 Mio. Euro, unabhängig von einer Kapitalmarktorientierung, jährlich einen Nachhaltigkeitsbericht erstellen müssen. Alleine das betrifft über 50.000 Unternehmen mehr als mit der alten EU-Regelung. 

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