„Made in Germany“ hat weltweit zwar noch eine (positive) Bedeutung, reicht aber allein nicht mehr aus, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können. Das haben die Agentur Sturm und Drang, das Agenturnetzwerk Serviceplan und die Kooperation Meisterkreis im Januar dieses Jahres in einer Gemeinschaftsstudie mit deutschen Unternehmen herausgefunden. Darin geht es um das sich wandelnde Image- und Bedeutungsbild des Siegels in internationalen B2C-Konsummärkten.
„Im Ausland traut man ‚Made in Germany‘ wirklich etwas zu. Wichtige Qualitäten wie technische Exzellenz, Zuverlässigkeit oder Craftmanship werden uns zugeschrieben“, führt Stefan Baumann im Interview mit dem Format Twelvemail von Serviceplan an, betont aber auch: „Technisch exzellente Produkte herzustellen, ist nicht genug für das nächste Wirtschaftssystem. Wir haben deutliche Defizite im Digitalen und im Bereich Innovation.“ Die Studienautoren sind überzeugt, dass Firmen bei der weltweiten Vermarktung ihrer Produkte mit dem Versprechen „Made in Germany“ in der Vergangenheit einen nicht unerheblichen Wettbewerbsvorteil eingelöst hätten. In der jetzigen Zeitenwende veränderten sich jedoch nicht nur die ökonomischen Verhältnisse, sondern auch die Vorstellungen darüber, wofür „Made in Germany“ steht und in Zukunft stehen soll.

Die Agenturen kamen im Rahmen der Untersuchung zu der Erkenntnis, dass ein universeller Ansatz, der für alle passt, künftig überflüssig sein wird. Herkunft und lokale Kultur spielten dagegen in der globalen Markenkommunikation eine immer größere Rolle. Das unterstreiche die Bedeutung lokaler, kulturell angepasster Strategien. Um relevant zu bleiben, müssten die verwendeten Narrative darüber hinaus die Themen Fortschrittlichkeit und eine zukunftsorientierte Mission beinhalten, sind sich die Agenturen sicher. Gleichzeitig müsse die Definition von „Made in Germany“ über Produkt- und Produktionsqualität hinausgehen, so die Macher der Studie. Es sei wichtig, deutsche Stärken wie Forschung, Modernisierung, Kultivierung und Zusammenarbeit in die Erzählung einzubetten, um ein überzeugenderes Image für die Zukunft zu schaffen.
Die Bedürfnisse der weltweiten Verbraucher ändern sich, hält das Forscherteam außerdem fest. Neben der Produktqualität und der technischen Ausstattung werde immer mehr Wert auf Beziehungs- und Organisationskompetenz gelegt. „Die Entwicklung und Vermittlung dieser Qualitäten wird für die künftige Wettbewerbsfähigkeit entscheidend sein“, heißt es in dem Bericht.

Stefanie Kuhnhen, CSO der Serviceplan Group, fasst die Verknüpfung dieser Faktoren mit dem Begriff Integrationsintelligenz zusammen. „In Zukunft überzeugt der, der Welten verbinden kann: Reale Welt mit digitaler Welt, Produktwelt mit menschlicher und kultureller Welt, wissenschaftliche mit ökonomischer Welt“, unterstreicht sie.
„Deutsche Marken produzieren keine isolierten, technischen Hochleistungsprodukte, sondern menschlichen Fortschritt“, ergänzt Baumann. Neben ihrer technologischen Güte seien die Produkte immer auch eingebettet in einen soziokulturellen und sozioökonomischen Nutzenkontext. „Weg vom technischen Ingenieur, hin zum Zukunftsbauer ganzheitlicher Systeme, die rund um den Menschen und seine Lebens- und Nutzungswelt konzipiert sind“, beschreibt er das, was die deutsche Wirtschaft entsprechend der Studienergebnisse gerade braucht.
In eine ähnliche Richtung gehen auch die Schlüsse, die die Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz (DSW) aus dem „Standortradar Deutschland: Wirtschaft, Transformation, Zukunft“ zieht, den sie gemeinsam mit der Strategieberatung Advyce & Company erstellt hat. „Vorsprung durch Technik“ ist demzufolge ein guter Claim für den Weg aus der Krise. Diesen Vorsprung sehen die Studienautoren allerdings nicht in „kleinteiliger Perfektion“, sondern vielmehr in „überlegener Customer Experience“. Entscheidend sei es, sich darauf zu besinnen, mutige, innovative Lösungen für echte Kundenprobleme zu entwickeln, unterstreicht DSW.
Die Analyse der beiden Unternehmen für den Wirtschaftsstandort Deutschland fällt düster aus: Die deutsche Wirtschaft stecke in einer Krise, die in weiten Teilen auf veraltete Strukturen, aufgeblähte Verwaltungen und eine schwache Innovationskraft zurückzuführen sei. Die oftmals angeführten hohen Energiepreise spielten in den meisten Branchen lediglich eine untergeordnete Rolle. „Die Untersuchung zeigt: Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos“, hält die DSW fest. Deutschland profitiere von einem international einzigartigen Fundament aus gut ausgebildeten Fachkräften und hochspezialisierten Unternehmen in fast allen Branchen.

Neben der Forderung, den Kundennutzen in den Mittelpunkt zu stellen, raten die Experten Unternehmen, mutig auf Innovationen zu setzen. „Hier bedarf es einer kompletten Repriorisierung der strategischen Ausrichtung und der Einführung wirkungsvollen Innovationsmanagements“, führt DSW aus. Zudem komme es darauf an, Prozesse und Abteilungen auf das absolut Nötige zu reduzieren – gut 30 Prozent sind überflüssig oder können digitalisiert werden, sind die Marktbeobachter überzeugt. Darüber hinaus müsse das Globalisierungsmodell durch ein „Glocalizing“ – also einer Mischung aus globalem und lokalem Wirtschaften – mit regionalem Re-Shoring abgelöst werden, was die Rückverlagerung von Werken in ihr Herkunftsland meint. Zu guter Letzt sei es elementar, dass Unternehmen gezielt kulturelle Diversität nutzen und Modelle der Altersgruppen-übergreifenden Zusammenarbeit einsetzen, um verborgene Arbeitsmarkt-Potenziale zu heben, unterstreicht DSW.