Globale Herausforderung

03.08.2005

Obi feiert seinen 500. Baumarkt. Dabei begann die Geschichte des größten deutschen Baumarktbetreibers erst vor 35 Jahren

Wie nähert man sich der Nummer eins? Demutsvoll? Oder respektlos? Vorsichtig oder mit Verve? Obi würde sich wahrscheinlich wundern, wenn man mit ihm allzu zurückhaltend umgehen würde. Das würde dem Ruf und dem Selbstverständnis des – mit Abstand – größten deutschen Baumarktbetreibers einfach nicht gerecht werden. Denn der Baumarkt-Riese hat es immer verstanden, Trends zu setzen, Handelnder statt Getriebener zu sein, kurzum das Motto „Wo wir sind, ist vorne“ auch mit Leben zu füllen.
Wer Erfolg hat, hat auch Neider. Wer die Marktführerschaft für sich beansprucht – und das tut Obi ja mit einigem Recht – wird mit anderen Maßstäben gemessen als etwa der Zehntplatzierte. Auch daran haben sich die „Obianer“ gewöhnt, gleich ob in den Märkten oder in der Systemzentrale in Wermelskirchen.
Obi-Baumärkte wie der offiziell 500. Markt in Pocking sollen neue Maßstäbe setzen.
Mit einem Baumarktumsatz von rund 5,2 Mrd. € (Gesamtunternehmen: 6,2 Mrd. €) lag Obi auch 2004 deutlich vor dem zweitgrößten deutschen Wettbewerber Praktiker. Damit konnte das Unternehmen 2004 seinen Umsatz im Vergleich zu 2003 um weitere vier Prozent steigern. Da der Anstieg der Verkaufsfläche im vergangenen Jahr bei Obi erstmals seit langer Zeit geringer ausfiel als der Umsatzzuwachs, stieg der durchschnittliche Quadratmeterumsatz um ein dreiviertel Prozent auf 1.625 € an. Damit lag Obi um ganze 82 € über dem Schnitt der Branche.
Da ist Musik drin: Obi zum Naschen.
Das sind nackte Zahlen. Obi ist beileibe nicht überall Spitzenreiter. Obi war nicht der erste Betreiber von Baumärkten, aber dennoch in einer sehr frühen Phase mit dabei. Was den Quadratmeterumsatz angeht oder auch den Umsatz pro Baumarkt, da liegen einige Wettbewerber besser. Obi liegt aber auch bei keinem Kriterium unter dem Branchenschnitt, sondern immer oben drüber, zum Teil deutlich. Also bleiben auch für den Branchenprimus noch Aufgaben, die man angehen und meistern kann oder muss. Und man hat ja in vielen Bereichen tatsächlich Zeichen gesetzt, man denke nur an die Anbindung von Gartencentern an die Baumärkte, an den Einsatz von Fernseh- und Bandenwerbung oder an die Auslandsexpansion.
Den Ehrgeiz haben die Wermelskirchener, wie sie gerade in letzter Zeit bewiesen haben. Denn mit dem Ausscheiden von Manfred Maus hat sich so einiges bei Obi verändert, und das sind beileibe nicht nur der Außen- und der Markenauftritt. Irgendwie wirkt das Unternehmen aggressiver. Das muss überhaupt keine schlechte Eigenschaft sein angesichts der nationalen und internationalen Marktsituation. Und es ist eine Rolle, die Obi als „global player“, als den man sich ja zu Recht sieht, zusteht und wohl auch einnehmen muss. Denn international spielt man in einer anderen Liga mit. Dabei hat man die nötige Härte auf dem deutschen Markt erworben, denn der ist, wie viele Branchenkenner zugeben, mit Abstand der kompetitivste Markt überhaupt. So gilt in Abwandlung der Sinatra-Song: „Wenn ich es in Deutschland schaffe, dann schaffe ich es überall.“ Mit den schmalen deutschen Renditen noch zu expandieren, das ist schon ein Meisterstück.
Führt Obi im Jahr 2005: Sergio Giroldi.
An dieser Stelle sei ein kleiner Blick zurück erlaubt. Ende der 60er Jahre spielten Dr. Emil Lux und Manfred Maus in Wermelskirchen mit dem Gedanken, auch in Deutschland Do-it-yourself-Märkte einzurichten, die in Amerika schon überaus erfolgreich waren. Die Kernidee, alle Sortimente für das Selbermachen unter einem Dach zu vereinen, war im Deutschland der 60-er Jahre revolutionär. Mit großem Engagement begeisterte Obi-Gründer Manfred Maus seine zunächst skeptischen Partner aus Industrie und Handel für seine Vision von den „Zwölf Fachgeschäften unter einem Dach“.
Auf 870 m² Verkaufsfläche und mit zwölf Mitarbeitern eröffnete 1970 der erste Obi-Markt im Einkaufszentrum Alstertal in Hamburg-Poppenbüttel. Dieser Initialstandort hat heute eine Verkaufsfläche von rund 15.000 m². Bekam man bis dahin Werkzeuge und Nägel ausschließlich beim Eisenwarenhändler, Farben und Tapeten im Farbenfachgeschäft und Holz beim Holzhändler, so konnten die Kunden im Obi-Markt alles aus einer Hand bekommen. „Bei Eisen-Karl oder bei Obi“ war geboren.
Dabei stammt die Idee für den einprägsamen Firmennamen allen kursierenden Gerüchten ganz banal aus Frankreich und geht auf die französische Aussprache des Wortes „Hobby“ zurück. Da man im Französischen das „H“ nicht spricht, wurde „Hobby“ zu „Obi“.
Mit der Idee der zwölf Fachgeschäfte unter einem Dach kam durch Obi auch ein vollkommen neuartiges Geschäftsmodell nach Deutschland: Franchising. Dabei setzt das Obi-Franchising auf die individuelle Eigeninitiative und nutzt das Engagement, die Kreativität und das Kapital mittelständischer Unternehmer. Man will dafür alle Vorteile eines Großunternehmens bieten, gleichzeitig aber die Nachteile zentralgesteuerter Konzernhierarchien vermeiden. Es soll ein partnerschaftliches System sein, bei dem bestimmte Dinge wie beispielsweise der Name „Obi“ als Marke einheitlich festgelegt sind und andere von den Franchisepartnern individuell entschieden werden.
Das hier manches Mal Anspruch und Wirklichkeit aufeinander treffen, ist verständlich. Denn inzwischen gibt es eine ganze Anzahl von Märkten (rund 40 Prozent), die nicht von Franchisenehmern betrieben werden. Diese Standorte liegen in ihrer Mehrzahl im Ausland. Kurz gesagt: Die Auslandsexpansion wird von Wermelskirchen aus betrieben. Das kann, muss aber nicht, zu einem innerbetrieblichen Interessengegensatz führen, denn die Ziele, Wünsche und Strategien der – meist deutschen – Franchisenehmer können sich von denen der von der Zentrale betreuten Standorte unterscheiden. Diese Obi-endogene Spannung zu lösen, wird eine der Aufgaben der immer noch relativ neuen Führungscrew um Sergio Giroldi werden.
Dabei scheint man mit dem Baumarkttyp wie in Pocking, dem Jubiläumsstandort, ein System gefunden zu haben, das multiplikationsfähig ist (siehe Titelgeschichte in diy). Und dies im In- und im Ausland. Allzu lange wurde bei Obi vielleicht mit zu vielen Betriebstypen nur experimentiert (Obi Fix, Ikea-Obi, Feng Shui-Obi etc.), ohne dass dies echte Folgen hatte. Der neue, nur scheinbar abgespeckte Baumarkttyp kann durchaus in der Lage sein, die universelle Antwort von Obi auf die expansiven Herausforderungen zu sein. Da müssen sich wohl noch einige Wettbewerber warm anziehen.
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