"Made in Germany" - was steckt tatsächlich dahinter?

Matthias Bayer, Blome-Tillmann GmbH
Matthias Bayer, Geschäftsführer Blome-Tillmann GmbH
27.11.2014
Wie das bekannte Herkunfts- und Qualitätssiegel unverändert seine Strahlkraft und sein enormes Potenzial für alle Beteiligten halten kann.

Um es vorwegzunehmen: Selbstverständlich hat "Made in Germany" je nach Branche und Produktbereich immer noch eine enorme Strahlkraft. Und das in weiten Teilen auch zu Recht. Würde es sich dabei tatsächlich um eine leere Worthülse handeln, hätte das EU-Parlament kürzlich wohl kaum einen Angriff auf dieses nationale Qualitäts­siegel gestartet.
Dennoch ist Skepsis angebracht, wenn letztlich Produkte komplett beispielsweise in Asien eingekauft werden und nur durch marginale Ergänzungen am Ende ein Qualitätsprodukt "Made in Germany" entstehen soll. In nahezu allen Branchen setzt der zunehmende globale Wettbewerb hiesige Hersteller einem immer stärker werdenden Kostendruck aus. Dieser Kostendruck hinterlässt Spuren.
Im Automobilbereich machen es uns Lexus, Hyundai und Co. mit mehrjähriger oder lebenslanger Garantie vor - während gleichzeitig die Anforderungen an die Lebensdauer einzelner Bauteile bei deutschen Herstellern aus Kostengründen immer weiter reduziert werden. Diese gegenläufige Entwicklung führt dazu, dass sich die Qualitätsniveaus der Produkte angleichen werden und - mit etwas Zeitverzögerung - auch das entsprechende Qualitätsimage.

Das Siegel ist ein Qualitäts­versprechen


Volkwirtschaftlich ist es kein Problem, wenn jedes Land im globalen Wettbewerb das produziert, was es am besten kann. Das setzt allerdings vergleichbare Rahmenbedingungen voraus. Und genau deshalb ist "Made in Germany" nicht nur eine Auszeichnung aus vergangenen Tagen, von deren Ruhm wir heutzutage noch zehren.
Vielmehr ist es ein hochaktu­elles Qualitätsversprechen, das weit mehr umfassen sollte als nur die gelieferte Produktqualität: Wegen eines Überangebots an Waren und Dienstleistungen werden Innovation und Differenzierung immer wichtiger. Und angesichts der auf höchster Ebene geführten Diskussionen über Klimaveränderung und menschen­würdige Produktionsbedingungen gewinnen Nachhaltigkeit und Menschenrechte zunehmend an Bedeutung.
Die in der Europäischen Union und insbesondere in Deutschland geltenden gesetzlichen Umwelt- und Sozialstandards stellen für produzierende Unternehmen gerade im internationalen Wettbewerb oft eine Herausforderung dar. Hier gilt es, deutlich zu machen, was "Made in Germany" tatsächlich bedeutet: Es geht um Mitarbeiter, denen mit ihrem Arbeitslohn ein menschenwürdiges Leben in einer zivilisierten Welt ermöglicht wird. Es geht um Investitionen in die Ausbildung nach­folgender Generationen.
Es geht um effiziente Produktionsprozesse, welche als Ganzes die Umwelt möglichst wenig belasten. Und natürlich geht es auch um Produktqualität, welche den Kunden überzeugen muss. Alle Beteiligten entlang des jeweiligen Produktlebenszyklusses sollten sich dessen bewusst sein und die dahinter stehenden Bemühungen und Errungenschaften honorieren.

Gemeinsames Handeln ist nötig


Hersteller und Handel müssen hier Hand in Hand agieren, damit beim Verbraucher noch stärker das Bewusstsein geschärft wird, was - außer Preis und Image - langfristig hinter "Made in Germany" steht. Die Industrie ihrerseits muss ein waches Auge darauf haben, welche Artikel tatsächlich in Deutschland gefertigt sind - und nicht nur "engineered in Germany" oder "quality con­trolled in Germany".
Schwarze Schafe mit Mogelpackungen schaden dem Qualitätssiegel und sollten entsprechend sanktioniert werden. Hierzu bietet die aktuelle Gesetzeslage ausreichend Möglichkeiten. Nicht zuletzt obliegt es allerdings dem Handel, inwieweit er bei seinen Entscheidungen das "big picture" sieht - oder letztendlich doch nur auf den Preis fokussiert ist. Undifferenzierte Parolen wie "Renditesteigerung durch Erhöhung der Importquote" deuten hier sicherlich in eine falsche Richtung.

Der Preis ist die größte Gefahr


Die größte Gefährdung des Qualitätssiegels kommt also nicht von der Europäischen Union, sondern vom Preis: Wenn "Made in Germany" zum Schnäppchenpreis mit "low budget-Importprodukten" konkurrieren muss, werden die Hersteller reagieren und auch diesen Zielpreis auf Kosten der bisherigen Qualitätsansprüche realisieren. Dann reichen statt fünf Millimeter Dämmung vielleicht auch mal drei Millimeter, statt 100.000 Kilometer Laufleistung auch mal 30.000 Kilometer. Und dann wird es in der Tat gefährlich für das anerkannte Qualitätssiegel "Made in Germany", das der Kunde bislang vertrauensvoll honoriert hat.
Die alte Weisheit, dass Qualität - und diese umfasst weit mehr als "nur" die Produktqualität - ihren Preis hat, gilt mehr denn je. So verstanden hat "Made in Germany" eine unveränderte Strahlkraft mit enormer Substanz und enormem Potenzial für alle Beteiligten - weltweit.
Made in Germany
„Made in Germany“ hat je nach Branche und Produktbereich immer noch eine enorme Strahlkraft und viele Gesichter.
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