Multichannel-Logistik geht alle an

Jochen Wolf, DB Schenker
Jochen Wolf, Leiter Vertical Market DIY DB Schenker
27.11.2014
Die Baumärkte müssen Logistikantworten auf die neuen Shoppingmöglichkeiten und -gewohnheiten finden.

Die zunehmende Konzentration der DIY-Händler sowie der großen Hersteller auf den Absatzkanal E-Commerce wird die Anforderungen im Stückgutmarkt weiter verändern. Potenziell werden mehr Produkte stückgutaffiner Sortimente die virtuellen Regale in den Online-Shops der Baumarktketten füllen. Selbst sperrige Produkte wie Hollywoodschaukeln, Strandkörbe, Dämmwolle, Regenrohre oder Gartenhäuser sollen sukzessiv über das Internet angeboten werden.
Somit wird es in Zukunft nicht mehr hauptsächlich der Paketzusteller sein, der die Lieferungen bringt. Es wird zunehmend eine Aufgabe der Stückgutdienstleister. Die Entwicklung der letzten Jahre gepaart mit den Ergebnissen diverser Studien lässt in ihrer Konsequenz keinen Zweifel mehr zu: Das Stückgutgeschäft im DIY-B2B-Bereich wird voraussichtlich zugunsten der B2C-Belieferungen Federn lassen, wenn entsprechende Logistiklösungen konzipiert und marktreif gemacht werden.
Denn Multichannel-Retailing ist die Antwort der DIY-Unternehmen auf die rasante Entwicklung der Shoppingmöglichkeiten im Internet: Der stationäre (DIY-) Handel wird natürlich weiterhin seine Daseinsberechtigung haben, denn der Kunde braucht den Markt. Vielleicht nicht mehr zwingend für die Produktinformation und den Preisvergleich von z. B. 100 m² Laminat, aber doch, um das Produkt zu fühlen, zu testen - und wahrscheinlich dort zu kaufen. Oder doch anschließend am heimischen Computer. Am Ende wird es für das online angepriesene Produkt aber eine Zustellung zu Hause geben, denn eine Palette Laminat nimmt man selten mit dem eigenem Pkw mit.
Das ist Multichannel-Retailing. Es folgt der Transportauftrag an einen Logistikdienstleister zur Belieferung des Endkunden, entweder aus dem Markt, aus einem E-Commerce-Lager oder aber vom Standort des Herstellers. Zunehmend werden es also nicht nur die Mitarbeiter der etablierten KEP-Netze sein, die an der Tür des Wohnhauses klingeln, sondern mehr und mehr Systemdienstleister im Stückgutsegment.
Dass diese Entwicklungen auf nahezu sämtliche Sortimente Anwendung finden werden, davon sind viele Experten überzeugt. Jedoch stellen sich alle dieselbe Frage: Sind die Stückgutdienstleister darauf vorbereitet, sich dem Multichanneling, insbesondere seiner anspruchsvollsten Ausprägung, der Privatkundenbelieferung, zu stellen? Die Antwort ist ja. Unter gewissen Voraussetzungen.
Die Anforderungen an eine Stückgutlieferung sind in wesentlichen Bereichen höher als die einer Paketzustellung. Der erste Zustellversuch muss zwingend sitzen. Gilt im stationären Handel die Devise "Mensch trifft Ware", so gilt für die Privatzustellung "Ware trifft Mensch". Out-of-Stock ist hier also, wenn der Besteller nicht zu Hause ist und der Spediteur unverrichteter Dinge wieder kehrtmacht und die Ware irgendwo zwischengepuffert werden muss. Ein optimiertes Avissystem mit Kundeninformation über die genaue Ankunftszeit des Fahrzeugs tritt an die Stelle von großzügigen Zustellzeitfenstern, wie man sie aus der Baumarktbelieferung kennt.
Die Hauptarbeitszeit der Ausroller verschiebt sich in die Abendstunden und auf Samstage - und zwar in Wohngebieten, was neben den daraus resultierenden fehlenden Zustellsynergien die größte Herausforderung darstellt. Des Weiteren müssen bei Antreffen des Kunden Paletten entladen und zurückgeführt werden, Pakete abgetragen und Verpackungen zurückgenommen werden. Im optimalen Falle für das perfekte Einkaufserlebnis wird die Ware an den Einsatzort verbracht und sogar aufgebaut, angeschlossen, verlegt.
Und es wird Retouren geben, die man nicht in der nächsten Postdienststelle abgeben kann - die vom Spediteur bei der Abholung transportsicher verpackt werden und zurück in die Stückgutsysteme fließen müssen.
Dies bedingt einen Umdenkprozess für die Logistik der letzten Meile. Bis zum zustellenden Terminal des Spediteurs ist, zumindest für systemfähige Stückgutsendungen, das etablierte Netzwerk nutzbar. Ab dem Eingang im Empfangshaus aber wird der Standardprozess gebrochen, da die Ware grundsätzlich avisiert und somit in den meisten Fällen nicht, wie aus dem B2B-Geschäft bekannt, sofort weiterverladen werden kann, sondern auf der Eingangshalle verbleibt.
Um die laufenden Prozesse hier nicht zu gefährden, sind alternative Lösungen abseits des Standardprozesses herbeizuführen, dessen operative Durchführung Aufgabe des Logistikdienstleisters ist, will sich die DIY-Branche diesem Markt der Zukunft stellen.
Chancen bietet die Entwicklung allemal: Betrieb oder Übernahme von integrierten Lägern, Kommissionierung von Mehrkanalsendungen, Bereitstellung von Value-Added-Services beim Endempfänger wie z. B. Aufbauservice oder Installationsservice sind Entwicklungsfelder, die sich, unter Berücksichtigung einer marktgerechten Vergütung durch Endverbraucher oder Onlinehändler, zu einem lohnenden Geschäft für alle Teile der Wertschöpfungskette entwickeln werden.
In einer gemeinsamen Erhebung vom Institut für Logistikmanagement der Steinbeis Universität (ILM) und von DB Schenker ist zumindest eine positiv abweichende Zahlungsbereitschaft der Endkunden für die reine Versandleistung, verglichen zur Paketbestellung, gemessen worden. Zusatzservices in Haus und Garten des E-Shoppers bieten darüber hinaus weitere Margen.
Dass die Lösungen auf der letzten Meile, inklusive der gewünschten Inhouse-Services des Online-Kunden, gewisse Herausforderungen wie Optimierung von Serviceleveln, Durchlaufzeiten und Logistikkosten sowie den Ausbau von Anliefer-, Retouren- und Lagerstrukturen bedingen, liegt auf der Hand. Die Frankatur Frei Bordsteinkante in einem Zustellzeitfenster montags bis freitags von 8 bis 17 Uhr ist zwar ein erster Schritt, aber nicht die Lösung.
Hier sind aber zwingendermaßen auch die handelnden Unternehmen der DIY-Branche gefordert, mit dem Dienstleistungssektor Entwicklungsstufen und Leistungskriterien für die Logistik und den Endkundenservice im Multichannel-Handel im Hinblick auf gegebene und kommende Möglichkeiten abzustimmen und eine gewisse Investitionsbereitschaft mitzubringen. In der Konsequenz kann nur so aktiv die optimale Logistikkette entwickelt werden, um eine für alle monetär effektive und effiziente Multichannel-Logistik aufzubauen und zu steuern.
Multichannel-Retailing
Multichannel-Retailing wird die Zukunft auch der Baumärkte bestimmen.
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