Immer mehr Bundesbürger wollen nach dem Grundsatz leben: Hilf dir selbst, bevor der Staat dir hilft. Im Zeitvergleich der beiden Jahre 2004 und 2005 zeichnet sich ein Einstellungswandel ab. Die Menschen interessieren sich wieder mehr für eine bessere Gesellschaft und wollen auch mithelfen, eine bessere Gesellschaft zu schaffen. In beiden Umfragen bekommt der Freundeskreis fast die Bedeutung einer zweiten Familie: "Freunden helfen" (2004: 58 - 2005: 63 Prozent) steht ganz obenan in der Aktivitätenliste der Hilfsbereitschaften.
Auf dem Weg zu einer neuen Selbsthilfe-Gesellschaft spielt die Nachbarschaftshilfe eine zentrale Rolle. Fast die Hälfte der Bevölkerung (45 Prozent) hat 2004 praktische Nachbarschaftshilfe geleistet – von der einfachen Hausaufsicht mit Tier- und Pflanzenpflege in Urlaubszeiten bis zum Hilfsangebot bei persönlichen oder familiären Problemen. 2005 will jeder zweite Bürger (49 Prozent) seinen Nachbarn helfen.
Der Gedanke "Hilf anderen, damit auch dir geholfen wird" lässt die Idee einer Selbsthilfe-Gesellschaft aus den siebziger Jahren wiederaufleben - allerdings unter veränderten Vorzeichen. In der Nach-68er-Zeit war eine Protestbewegung entstanden, die sich gegen staatliche Vereinnahmung richtete. Selbsthilfe wurde dabei als eine Art alternative Eigeninitiative verstanden – von der Wohngemeinschaft über das selbstorganisierte Jugendzentrum bis zum genossenschaftlichen Arbeitskollektiv. Wenn sich derzeit die Konturen einer neuen Selbsthilfe-Gesellschaft abzeichnen, dann ist damit keine Idylle oder Alternativbewegung gemeint. Die wachsende Einsicht in das Aufeinander-Angewiesensein resultiert aus der Angst vor dem sozialen Absturz, vor Wohlstands- und Arbeitsplatzverlusten. Mehr Notstands- als Wohlstandsdenken zwingt zum Selbsthilfe-Handeln, weil der Sozialstaat ‚schwächelt’, so das BAT Freizeitforschungsinstitut.