Die Amerikaner kommen

Deutsche hat es immer in das Land der unbegrenzten Möglichkeiten gezogen. Seit dem 18. Jahrhundert sind Millionen Deutsche in die USA ausgewandert, teils aus religiösen, teils aus wirtschaftlichen oder aus politischen Gründen. Das große Land jenseits des Atlantiks versprach einen Neuanfang, Sicherheit, Chancen. Heute liegt Deutschland, fragt man US-Bürger nach ihrer Abstammung, auf Platz Eins der Einwanderungsländer.
In letzter Zeit hat wieder ein kleiner Strom an Auswanderern in die USA eingesetzt. Deren Gründe zum „Rübermachen“ sind heute neuer Natur. Sie riskieren keine unsichere Zukunft, sie haben Arbeitsverträge, für Wohnung und Einkommen ist gesorgt. Zahlreiche deutsche leitende Angestellte aus der Bau- und Heimwerkerszene wechselten in den vergangenen Monaten zu Home Depot, dem weltweit größten Betreiber von Baumärkten; Umsatz: rund 38 Mrd. $ (86 Mrd. DM) mehr als der gesamte DIY-Umsatz des Jahres 2000 in Deutschland!
Von zahlreichen deutschen Bau- und Heimwerkermarktbetreibern hat das in Atlanta, Georgia, ansässige Unternehmen Manager abgeworben, darunter von Max Bahr, OBI, Knauber. Schätzt man jetzt in Amerika das Potenzial unserer Unternehmenselite plötzlich so hoch ein, dass das eigene Wohl und Wehe davon abhängt? Kaum! Natürlich wechselten da auch einige Spitzenkräfte, die ohne Probleme auch in den Vereinigten Staaten und bei einem Weltkonzern ihre „Frau“ oder ihren „Mann“ stehen können. Doch der eigentliche Grund für die Abwerbungsangebote dürfte doch ein anderer sein.
Sicherlich will Home Depot den Fehler vermeiden, den Wal-Mart beim Markteintritt in Deutschland begangen hat. Blauäugigkeit oder Naivität, was an Fehleinschätzungen der deutschen Angestellten, des hiesigen Marktes und der Kunden beim weltgrößten Handelsunternehmen passiert ist, führte zu Unkosten, die Branchenkenner im Augenblick mit bis zu 400 Mio. DM beziffern. Es bleibt abzuwarten, wie lange man sich das in der Wal-Mart-Zentrale noch ansehen wird.
Den Fehler will Home Depot für sich nicht begehen. Dass man in Atlanta den Blick nach Europa und nach Deutschland richtet, pfeifen ja schon seit geraumer Zeit die Spatzen von den Dächern. Und welchen Zweck sollte das Anwerben deutscher Baumarktmanager sonst haben, als den Markteintritt bei uns langsam vorzubereiten? Nur wagt man keinen Schnellschuss, wie es Wal-Mart gemacht hat. Der Zeitpunkt scheint noch offen zu sein. Ob 2001 oder später, ob durch eine Firmenübernahme oder anders, ob als „Home Depot“ oder in einer speziellen Vertriebsform, die Amerikaner werden kommen, das ist gewiss.
Ihr Dr. Joachim Bengelsdorf
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