Steckdose, unterputz, virtuell

Von Computerspielen, Simulationen und reinen Daten-Baumärkten – und was die wirkliche DIY-Welt davon haben könnte

Schon mal was von „Advergaming“ gehört? Gut, man kann diesen anglizierten Kunstbegriff schon aufdröseln: Advertisement und Game, Anzeigen und Spiel also. Dabei handelt es sich aber nicht etwa um ein neues „Spiel ohne Grenzen“ um Anzeigen oder um Bandenwerbung beim Sport, obwohl letzteres dem eigentlichen Zweck doch schon näher kommt.
Es geht um Werbung in Computer- und Videospielen, ein Medium, das von der Werbebranche offensichtlich immer mehr entdeckt wird. Da wird im Flugsimulator mit Karten von Flugkartenherstellern geworben, eine Fußballanimation verkündet die Spielergebnisse mit freundlicher Unterstützung von Amazon, bei Renn-Software prangen auf den virtuellen Boliden die Namen echter Tuning-Firmen.
Wer sein Auto aufmotzen will, muss für die Markenprodukte wertvolle Spielpunkte abgeben. Dafür wird er aber mit mehr Leistung, mehr Ausdauer, mehr Unfallsicherheit belohnt. Markentreue lohnt sich also für den Spieler. Wenn das kein lohnendes Werbeumfeld für Marken, gleich ob Handel oder Lieferant, ist?!
Ein Beispiel: Sehr beliebt sind bei Jugendlichen und Junggebliebenen u.a. Simulationsspiele wie „Die Siedler“, „Sim-City“ oder neuerdings „The Sims Online“. Hier wurden bisher Städte gebaut, Häuser eingerichtet, Leben gelebt, ohne dass irgendeine Marke auftauchte. Das hat sich dank einer großen Hamburgerkette inzwischen geändert. Denn das „Goldene M“ erhofft sich von seiner Präsenz im virtuellen Bereich gerade bei den jüngeren Usern und Spielern einen erhöhten Werbeeffekt, wenn man seine Energiepunkte in einer Fastfood-Filiale durch Burgerzufuhr aufladen kann. Im Spiel verwischen die Grenzen zwischen Bannerwerbung, Product Placement und Merchandising.
Wie wäre es, wenn man demnächst auch einen reinen Daten-Obi oder -Praktiker besuchen und dort die Ware erstehen kann, die man zum Hausbau oder zur Wohnungsverschönerung benötigt? Und wenn das dann noch Markenprodukte wären? Wer die blaue Reihe von Bosch nutzt, muss zwar mehr Punkte abgeben, bohrt dafür aber leichter virtuelle Löcher, mit Rigips fällt der Innenausbau leichter und mit einem Gardena-Beregner ergrünt mein Spiel-Rasen im grünsten Grün.
Spinnert? Wenn man sieht, welche namhafte Weltfirmen in diesem Bereich bereits aktiv sind, und wenn man, wie die DIY-Branche es ja immer tut, auf die Kreativität der bei Computerspielen ja gerade jüngeren Klientel setzt, der sollte sich überlegen, wie er hier aktiv werden kann. Ich freue mich auf jeden Fall schon mal darauf, demnächst virtuell die erste Steckdose unterputz zu verarbeiten.
Dr. Joachim Bengelsdorf
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