Corona-Umfrage

Corona-Krise als Chance?

Wie haben die deutschen DIY-Lieferanten die erste Phase der Covid-19-Pandemie bewältigt? Eine Umfrage des Beratungsunternehmens sens.ation und der Fachzeitschrift diy bringt erste Erkenntnisse. 

Im April 2020 berichtete die „Lebensmittel Zeitung“, dass die Baumärkte von Milliarden Euro Einbußen durch die Auswirkungen der Coronapandemie bedroht seien. Einige Monate später, im August 2020, meldete die „Welt“ einen historischen Baumarktboom mit Zuwachsraten nach BHB-Unterlagen von insgesamt 15,6 Prozent. Das Umsatzplus kam für alle Marktteilnehmer gerade wegen der anfänglich düsteren Prognosen und normalerweise umsatzschwächeren Sommermonaten vollkommen überraschend. 2020 neigt sich dem Ende zu und es wird Zeit, eine erste Bilanz zu ziehen. Die Fachzeitschrift diy und das Beratungsunternehmen sens.ation haben dies zum Anlass genommen, im Oktober 2020 eine Onlinebefragung unter den Lieferanten der DIY-Branche zu starten. Erklärtes Ziel war, herauszufinden, wie die Lieferanten die erste Phase der Coronakrise überstanden haben, mit welchen Auswirkungen auf ihr Unternehmen sie zu kämpfen hatten, wie sie mit den Herausforderungen umgegangen sind und welche Learnings sie für die Zukunft gezogen ziehen konnten.

Umsatz, Nachfrage, Kosten

Die zentrale Frage direkt zu Beginn war, welche monetären Auswirkungen die Coronapandemie mit sich brachte. Unerwartet haben sich bei 78 Prozent der Befragten der Umsatz und die Nachfrage in einem sehr kurzen Zeitraum überproportional erhöht, so dass die Unternehmen einen großen Aufwand hatten, dieser gesteigerten Nachfrage nachzukommen. Folge hieraus waren für 49 Prozent der Unternehmen höhere Kosten. Laut Einschätzung der Situation gab es teilweise wenig Unterstützung durch den Handel, der von den Corona-Auswirkungen ebenfalls überrascht wurde. Es gab auch Verlierer, denn zwölf Prozent der Befragten hatten einen Umsatzrückgang bis zu 50 Prozent.

Um den Handel zukünftig entsprechend bedienen zu können, bedarf es Investitionen in vielen Unternehmensbereichen, die sich auf eine höhere Kostenstruktur auswirken werden (45 Prozent der Unternehmen). Insgesamt schaut die Branche allerdings optimistisch in die Zukunft. Etwa die Hälfte der Befragten glaubt, dass es auch im kommenden Jahr zu einer erhöhten Nachfrage und Umsatzsteigerung kommt.

 

Homeoffice – Technik als Herausforderung

Homeoffice hat für viele Unternehmen während der Coronakrise einen neuen Stellenwert bekommen und wurde sehr intensiv genutzt. In einem Teil der befragten Unternehmen wurde Homeoffice bereits vorher eingeführt, diese Arbeitsform nun aber auf weitere Unternehmensbereiche ausgedehnt. Bei nahezu allen Firmen (90 Prozent) hat das Key-Account-Management von zu Hause aus gearbeitet. In vielen anderen Fachbereichen gab es ebenfalls einen starken Anstieg der Homeofficenutzung durch die Mitarbeiter. Trotz der verschärften Situation während des Lockdowns wurde teilweise in einigen Bereichen kein Homeoffice eingesetzt (Verwaltung, Produktmanagement, Einkauf, Innendienst, Marketing, IT). Aufgrund von Besuchsbeschränkungen im Handel mussten die meisten Außendienstmitarbeiter (71 Prozent) von zu Hause aus arbeiten.

Als größte Herausforderungen bei der Durchführung von Homeoffice sahen 46 Prozent der Unternehmen die Schaffung der technischen Voraussetzungen (Ausstattung, Anbindung, IT-Sicherheit), gefolgt von Kommunikation und Personalthemen mit 41 Prozent (Kundenkontakt, Mitarbeiterführung, Meetings).

Um den krisenbedingten Herausforderungen zu begegnen, wurde in zwei Drittel der Unternehmen neue Hardware angeschafft. 52 Prozent haben in neue Kommunikationsmöglichkeiten mit den Kunden investiert. Die Hälfte der Unternehmen hat die Digitalisierung ihrer Prozesse vorangetrieben. Auch wurden Führungsstil und Meetingstruktur entsprechend angepasst (50 Prozent). Um die Mitarbeiter im Umgang mit der neuen Situation zu unterstützen, wurden teilweise Hilfestellungen in Form von Schulungen und Leitfäden angeboten (39 Prozent). Ein Drittel der befragten Unternehmen hat Sicherheitskonzepte an die neuen Remote-Arbeitsweisen angepasst.

Ein nachhaltiger Effekt der Corona-Auswirkung ist, dass die Mehrheit der Befragten Homeoffice als Zukunftskonzept in der Arbeitswelt sieht – sowohl für einzelne Bereiche (41 Prozent) als auch bereichsübergreifend (25 Prozent). Jedes zehnte Unternehmen sieht Homeoffice für die Zukunft nicht vor.

(Quelle: sens.ation)

Personalmanagement in Zeiten der Pandemie

Zwei Drittel der Unternehmen haben die staatliche Unterstützung während der Lockdownzeit in Form von Kurzarbeit in Anspruch genommen. Aufgrund der plötzlich hohen Nachfrage wurden vor allen Dingen mehr Mitarbeiter in den Bereichen Logistik (35 Prozent) und Produktion (39 Prozent) eingestellt. Zusätzlichen Mitarbeiterbedarf gab es auch im Vertriebsinnendienst, im Key-Account-Management und in der IT. Bei Unternehmen mit Umsatzrückgängen musste die Mitarbeiteranzahl teilweise reduziert werden (Produktion, Produktmanagement, Außendienst, Einkauf).

 

Handelsbeziehungen auf der Probe

Die Kommunikation mit den Handelskunden wurde aufgrund von Homeoffice von 41 Prozent der Befragten als schwieriger angesehen. Die meisten Unternehmen (85 Prozent) haben technologisch aufgerüstet und entsprechende webbasierte Lösungen (z. B. für Videokonferenzen) eingeführt. Zwar geben 18 Prozent der Unternehmen an, in der Krise mit ihren Kunden sogar enger zusammengewachsen zu sein, doch für ein Drittel hat sich die Kommunikation zu ihren Kunden verschlechtert. Zusätzliche Forderungen des Handels haben teilweise zu einer Distanzierung zum Kunden geführt.

Aufgrund der überraschend gestiegenen Nachfrage lag die größte Herausforderung in der Warenversorgung – sowohl bei Lieferungen als auch in der Beschaffung. Von Lieferproblemen waren fast alle Unternehmen (87 Prozent) zum Beispiel aufgrund fehlender Container, LKWs und Fahrer betroffen. Die Hälfte der Befragten gab an, dass Mitarbeiter an den Produktionsstandorten fehlten (47 Prozent) oder Rohstoffe und Materialien nicht ausreichend vorhanden waren (47 Prozent). Grenzschließungen waren in den Beschaffungsländern (38 Prozent) und an den Produktionsstandorten (26 Prozent) ein größeres Problem. Auch fehlende Mitarbeiter im Lager (29 Prozent) erwiesen sich als Herausforderung. Die Betreuung der einzelnen Handelsmärkte (54 Prozent) und die Einführung neuer Produkte (54Prozent) stellten sich ebenfalls als problematisch dar. Da auch der Handel von der erheblichen Nachfragesteigerung überrascht wurde, konnte er den Lieferanten keine verlässliche Planungshilfe zur Verfügung stellen.

Die Erfahrungen aus der Coronakrise führten zur kritischen Betrachtung der vorhandenen Logistik- und Produktionsstrukturen: 50 Prozent werden in die Lagerhaltung investieren, 42 Prozent die Beschaffungswege überdenken und 33 Prozent die Produktion ausbauen. Auch der gesamte Unternehmensablauf zum besseren Umgang mit Engpässen soll neu gestaltet werden (30 Prozent).

 

(Quelle: sens.ation)

Die lernende Organisation

Überraschend ist, dass trotz der veränderten Gesamtsituation ab März viele Einzelmaßnahmen in den Unternehmen sehr kurzfristig angegangen und umgesetzt wurden. Prozessoptimierungen (78 Prozent) und die Kommunikation zwischen Mitarbeitern (74 Prozent) standen hier im Fokus. Auch in die Kommunikation mit Kunden (60 Prozent) und Lieferanten (61 Prozent) wurde investiert. Die Implementierung digitaler Tools hat innerhalb kürzester Zeit einen sehr starken Schub bekommen durch die Einführung von Videokonferenzen (98 Prozent), Kollaborationsplattformen (75 Prozent), Remotezugängen zu Dokumenten und Daten (71 Prozent), zentralen Ablagesystemen (59 Prozent), digitalen Workflows und Chat-Tools (je 57 Prozent). Auch digitale Trainingssysteme (49 Prozent) haben an Bedeutung gewonnen, ebenso wie ERP- (45 Prozent) und CRM-Systeme (37 Prozent). Bei jedem vierten Unternehmen kam es zu einer Reorganisation der Strukturen (24 Prozent). Zukünftig angegangen werden soll der Einsatz neuer Projektmanagementmethoden (24 Prozent).

 

Hausaufgaben für die Zukunft

Neben den zwei Brennpunkten Produktion und Logistik, die während der Coronakrise teilweise an ihre Grenzen gestoßen sind, sehen die befragten Unternehmen in den verschiedenen Fachbereichen Bedarf nach mehr Prozess-Knowhow – sei es im Vertriebsinnendienst (34 Prozent), im Einkauf (31 Prozent), der IT (31 Prozent), im Key-Account-Management (24 Prozent), im Produktmanagement (26 Prozent) oder in der Verwaltung (24 Prozent).

Hierzu bedarf es der Implementierung entsprechender Tools. Etwa die Hälfte der Befragten sehen in diesem Zusammenhang die Digitalisierung von Geschäftsprozessen (66 Prozent) und allgemeine Organisationsprozesse (51 Prozent). Jedes dritte Unternehmen benötigt Tools zur Akquisition neuer Märkte (38 Prozent) sowie zum Training seiner Mitarbeiter (32 Prozent). Die Einführung agiler Arbeitsmethoden ist für 28 Prozent der Befragten wichtig.  

(Quelle: sens.ation)

Eine kurze Abschlussbilanz

Für jedes zweite Unternehmen sind immer noch die Warenbeschaffung (55 Prozent) und die Anpassung digitaler Prozesse (45 Prozent) aktuelle Themen. An dritter Stelle folgt die (Re-) Organisation der Produktion (33 Prozent). Aber auch die Themen Schadensbegrenzung (16 Prozent) und Wiederherstellung des normalen Geschäftsbetriebs (9 Prozent) beschäftigt einige Unternehmen noch.

Die Autorin

Sybille Henning, Geschäftsführende Gesellschafterin sens.ation GmbH
Sybille Henning, Geschäftsführende Gesellschafterin sens.ation GmbH

Antworten zu offenen Fragen und Anmerkungen der Befragten haben gezeigt, dass das Verhalten einiger Handelspartner während der letzten Monate enttäuschend war. Man hätte sich mehr Verständnis für die entstandene Situation gewünscht, da schließlich beide Seiten von der Coronapandemie überrollt wurden und jeder sein Bestes für eine optimale Warenversorgung für den Endkunden getan hat. Strafzahlungen bei der Untererfüllung der Lieferung oder Bonusforderungen bei erhöhten Umsätzen waren scheinbar keine Seltenheit.

Insgesamt lässt sich resümieren, dass die plötzliche Veränderung des Arbeitsumfelds durch Corona bestimmte Trends enorm beschleunigt hat. Die Digitalisierung wird als essenziell und zukunftsbestimmend wahrgenommen. Durch mobiles Arbeiten wird den Mitarbeitern eine höhere Selbstverantwortung für ihre Arbeit übertragen. Die Kommunikation zwischen Mitarbeitern im Unternehmen, mit Lieferanten und Kunden wird mehr über digitale Medien abgewickelt. Management und Unternehmensstrategie sind aus der Sicht der Befragten entscheidend für die erfolgreiche Krisenbewältigung. Dies bedeutet für die Unternehmen, dass sie noch flexibler ihre Abläufe gestalten wollen, um schnell und zuverlässig reagieren zu können. In Beschaffungs-, Logistik- und Produktionsprozessen werden Krisensituationen stärker berücksichtigt. Die meisten Unternehmen sehen die wirtschaftlichen Aussichten für die Zeit nach der Corona-Krise optimistisch.

Die Corona-Studie zum Download

diy-Leserinnen und -Leser können die Studie hier kostenlos downloaden.

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