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Wachstum

Neuerfindung eines Begriffs

Wussten Sie, dass es acht verschiedene Adjektive gibt, um unterschiedliche Formen des (Wirtschafts-)Wachstums zu beschreiben? Sie sind in vier Zweierpaaren angeordnet: nominal vs. real, absolut vs. relativ, extensiv vs. intensiv und quantitativ vs. qualitativ. 
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Na, sehr schön, mit welchem Adjektiv wollen wir uns im Zusammenhang mit der Entwicklung der Baumärkte im Zeitraum der 101. diy-Ausgabe im Dezember 1987 bis zum Dezember 1995, als die 200. Ausgabe unseres Fachmagazins erschien, befassen?

Wahrscheinlich ist es fast gleichgültig. Von 1990 bis 1995 wurden jedes Jahr in Deutschland jeweils über 200 neue Standorte eröffnet, 40,5 Prozent aller neuen Baumarktstandorte hatten 1995 eine Verkaufsfläche von über 5.000 m². Welch ein Gegensatz zu den acht Jahren zuvor! Die deutsche Wiedervereinigung und die beginnende Expansion ins Ausland führten zu einer Baumarktsonderkonjunktur. Nie war ihre Zahl größer. Doch: Praktiker (1995 Platz 2 beim Umsatzranking), Stinnes (Platz 5), Götzen (7), Max Bahr (9), Wirichs (14), Contzen (20), Knauber (26) und Promohypermarkt (27), um nur einige der Top 30 zu nennen, sie sind alle verschwunden, Pleite gegangen, übernommen. Wer zählt die Namen, erfasst die Opfer?

Die größten deutschen 30 Baumarktbetreiber erwirtschafteten 1995 europaweit einen Gesamtumsatz von 16,62 Mrd. Euro brutto. Der Flächenertrag betrug rund 1.841 Euro. Und heute? 2021 betrugen die Bruttoumsätze der Top 20 insgesamt fast 36,26 Mrd. Euro, also fast 120 Prozent mehr als vor 26 Jahren. Der Flächenumsatz dagegen: 1.806 Euro/m² im Jahr 2021. Das sind fast zwei Prozent weniger als 1995 und inflationsbereinigt sähe es noch schlechter aus.

Wenn wir über Wachstum reden, so müssen wir uns viel mehr über das Adjektiv ‚qualitativ‘ unterhalten.
Dr. Joachim Bengelsdorf

Wenn wir also über Wachstum reden, müssen wir uns zukünftig wahrscheinlich viel mehr über das Adjektiv “qualitativ“ unterhalten. Und letztendlich stellt sich sogar die Frage, ob dauerhaftes Wachstum überhaupt noch wünschenswert ist: „Growthmania“ heißt das in den USA, „Wachstumsmanie“. Auch viele Wirtschaftsverantwortliche diskutieren heute darüber, wie und ob man dem Zwang zum Wachstum entkommen kann. Nach der calvinistischen Prädestinationslehre ist wirtschaftlicher Erfolg ein Beweis für die Liebe Gottes. Die Kritik an dieser – manche sagen – Ideologie nimmt zu.

Wird in Zukunft einer der Wachstumsfaktoren bei den Baumärkten nicht mehr beim Produkt oder beim Sortiment liegen, sondern bei der Dienstleistung, der Beratung und Betreuung von Projekten, der Vermittlung von Wissen? Das könnte auch zu einer veränderten Gewichtung von Wachstum führen. Vielleicht heißt dann das neue Gegensatzpaar Hedonismus vs. Suffizienz. Die Grenzen des Wachstums stehen wieder auf der…

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