Simon Schwab, Ellen und Ulrich Wagner sind stolz auf die neue Effizienz, die sie mit Lean Management erreichen. 
Simon Schwab, Ellen und Ulrich Wagner sind stolz auf die neue Effizienz, die sie mit Lean Management erreichen. 

Wagner System | Langfassung

Kleine Veränderungen, große Wirkung

Um Effizienz, Produkt- und Servicequalität auf das höchstmögliche Level zu bringen, wurden bei Wagner System alle Arbeitsprozesse mit Lean Management optimiert. 

Alles neu bei der Wagner System GmbH in Lahr im Schwarzwald: Als 2022 das bestehende Logistikzentrum umgebaut und daneben zeitgleich ein neues Unternehmensgebäude errichtet wurde, entschieden sich die Geschwister und Geschäftsführer Ellen und Ulrich Wagner auch für die Einführung einer neuen Philosophie. Denn Lean Management sei nicht nur ein Projekt, es sei eine Einstellung, erklärt Lean Manager Simon Schwab, der vor rund zwei Jahren im Unternehmen anfing und seitdem einiges erreicht hat: Ordnung, Sauberkeit, Selbstdisziplin, Effizienz in sämtlichen Prozessen.

Doch zunächst einmal, was ist eigentlich Lean Management? Die ursprünglich in Japan entwickelte Methodik bedeutet „Werte ohne Verschwendung schaffen“. Dabei werden alle wertschöpfenden Aktivitäten optimal koordiniert und alles Überflüssige, also Verschwendung von Zeit, Geld und Ressourcen, konsequent vermieden. Damit soll eine Verschlankung der Produktion erreicht werden. Der Kunde steht dabei im Vordergrund. Er erhält schnelleren und insgesamt besseren Service sowie eine bessere Produktqualität. Zudem ist Verschwendung auch nicht nachhaltig. „Man braucht nicht vier Tacker in einem Büro – nur eine bessere Organisation“, bringt es Ellen Wagner auf den Punkt.

Am Anfang steht eine Bestandsaufnahme. Hier werden beispielsweise interne Prozesse, Laufwege und Flächennutzung unter die Lupe genommen. Dabei holte sich das Unternehmen Hilfe von Studierenden der Hochschule Offenburg. In einem Workshop unter der Leitung von Prof. Dr.-Ing. Andreas Friedel entwickelten sie Lösungen für die Neugestaltung der Versandarbeitsplätze. Dafür analysierten die angehenden Wirtschaftsingenieurinnen und Wirtschaftsingenieure zunächst die Ist-Situation, entwickelten ein Soll-Konzept und stellten anschließend mittels Cardboard-Engineering Dummie-Arbeitsplätze im Maßstab 1:1 her. So konnten bereits vor dem endgültigen Umbau die Arbeitsabläufe vor Ort getestet und optimiert werden. Sie sind nun pro Mitarbeiter-Duo in einer U-Form angeordnet und mit einem Tablet ausgestattet, über das bei Bedarf – und sprachneutral – Arbeitsanweisungen per Video angeschaut werden können.

Highlights in den neugestalteten Hallen sind zudem computergesteuerte Verschieberegale mit 2.600 Palettenstellplätzen, vollautomatische Lagerlifte für kleinteilige Waren wie Möbelgleiter sowie das neue Hochbüro, das inmitten der Montage-Arbeitsplätze errichtet wurde und einen guten Überblick bietet.

Oft reichen kleine Veränderungen, um eine große Wirkung zu erzielen: So waren zuvor die Montage-Scheiben, mithilfe derer die „QuickClick“-Möbelgleiter mit Schrauben versehen werden, ohne System aufeinandergestapelt. Die benötigte Scheibe lag meist ganz unten und war nicht gut erreich- oder auffindbar. Die Mitarbeiter bauten kurzerhand ein beschriftetes Regal, aus dem die passenden Scheiben nun mit einem Handgriff herausgezogen werden können. Ein weiteres, nach Zielländern sortiert beschriftetes Regal im Versand sorgt nun dafür, dass Pakete nicht an den falschen Ort geliefert werden. Selbstgebaute Reinigungsstationen und sogenannte „Shadowboards“ mit als Schatten hinterlegten Ordnungssystemen erleichtern die Arbeit und das Ordnung-Halten. Visuelles Management nennt der Lean Manager diese Ansätze. Schnell Effekte erzielen und sichtbar machen lautet die Devise. „Dabei muss nicht alles perfekt sein“, ergänzt Ulrich Wagner. „Lieber kleine Verbesserungen Schritt für Schritt.“

Für die Lagerung der Scheiben zur Herstellung der „QuickClick“-Möbelgleiter wurde ein neues Regal entworfen. 
Für die Lagerung der Scheiben zur Herstellung der „QuickClick“-Möbelgleiter wurde ein neues Regal entworfen.  (Quelle: Dähne Verlag, Rinn)
Vom neuen Hochbüro aus hat man einen guten Überblick über die Montagehalle. 
Vom neuen Hochbüro aus hat man einen guten Überblick über die Montagehalle.  (Quelle: Dähne Verlag, Rinn)
Die Arbeitsplätze wurden optimiert: Hier finden sich nun Shadowboards und Tablets mit Videos zu Arbeitsanweisungen.
Die Arbeitsplätze wurden optimiert: Hier finden sich nun Shadowboards und Tablets mit Videos zu Arbeitsanweisungen. (Quelle: Dähne Verlag, Rinn)
Das bestehende Logistikzentrum wurde umgebaut und daneben ein neues Gebäude errichtet.
Das bestehende Logistikzentrum wurde umgebaut und daneben ein neues Gebäude errichtet. (Quelle: Dähne Verlag, Rinn)

Währenddessen wird gemessen, ob die Veränderung in die richtige Richtung geht, und zum Schluss wird kontrolliert, ob sie den gewünschten Effekt hatte. Orientierung geben hier die „5 S“: Sortieren (alles Überflüssige wird aussortiert), Systematisieren (alles bekommt seinen festen Platz), Säubern (alles muss sauber sein), Standardisieren (Ordnung, Übersicht und Sauberkeit sind Standards) und Selbstdisziplin (die Umsetzung der „5 S“-Regeln gehört zur täglichen Routine). Letztere sei oft das Schwierigste, sagt Schwab. Deshalb sei es wichtig, sich selbst und andere immer wieder zu erinnern, den eigenen Arbeitsbereich in Ordnung zu halten. Nur so werde es nachhaltig. Ob die Änderungen auch konsequent umgesetzt werden, wird zudem bei einer Auditierung kontrolliert. Die angekündigten Besuche seien bereits abgeschlossen, nun stünden die unangekündigten an, so der Lean-Experte.

Ein weiteres Tool ist das SIM-Board. SIM steht für Short Interval Management und geht die häufige Problematik an, dass nicht jeder im Team informiert ist oder in die Kommunikation mit eingebunden wird. Auf dieser Tafel, die inzwischen in allen Unternehmensbereichen etabliert ist, finden sich Tabellen zu den Themen Arbeitssicherheit, Ordnung und Sauberkeit. Hier werden beispielsweise Beinah-Unfälle vermerkt oder Situationen am Arbeitsplatz, die den Prozess verlangsamt haben. Dazu wird jeweils notiert, wie das Problem gelöst werden soll, wer verantwortlich ist und bis wann es erfolgt. „Das führt dazu, dass man Probleme nicht vor sich herschiebt, es werden schnell Entscheidungen getroffen“, erläutert Ellen Wagner. Außerdem diene das Hilfsmittel dazu, Kollegen bei Schichtübergabe auf den neuesten Stand zu bringen. Lässt sich ein Problem nicht im eigenen Team lösen, wird eine höhere Ebene im Unternehmen hinzugezogen – auch das dient der Effizienz. 

Auf dem SIM-Board finden sich auch allgemeine Regeln, an die sich jeder zu halten hat, wie Pünktlichkeit oder ausgewogene Redebeiträge bei Besprechungen. Der Austausch spiele eine wichtige Rolle, so der Lean-Manager: Täglich treffen sich die Teams der verschiedenen Unternehmensbereiche, um zu klären, ob alles gut läuft. So sind alle involviert und alle wissen Bescheid. Wenn ein Problem auftritt, müssen nicht extra einzelne Personen angesprochen werden, da es einen festen Termin gibt. Ein digitales Tool wäre hier nicht sinnvoll, erklärt Schwab. „Eine Tafel lässt sich nicht wegwischen“, führt Ulrich Wagner aus. „Man sieht sie jeden Tag und spricht gemeinsam darüber.“ Dadurch ergebe sich auch ein Lerneffekt. Jeder Teamleiter bekommt die Visualisierung der Lean-Auswertung zugeschickt und präsentiert sie in den Meetings. So entstehe ein regelrechter Wettbewerb unter den Abteilungen, noch besser zu werden, berichtet seine Schwester.       

„Wir wollten alles auf ein neues Level bringen“, unterstreicht Ulrich Wagner. Um ein solches Vorhaben umzusetzen, sei es wichtig, dass alle mit an Bord sind. Die Geschäftsleitung, die wie Simon Schwab betont, „voll dahintersteht“, und die Belegschaft. „Jeder hat mitgezogen“, berichtet der Geschäftsführer stolz. Die Mitarbeiter werden Stück für Stück an das Thema herangeführt. „Sie müssen die Umstellungen erst einmal verstehen und verinnerlichen, um sie leben zu können“, so Wagner. Aber die Vorteile würden ihnen sehr schnell bewusst und erkennbar. So habe man zum Beispiel mehr Freude am Arbeiten, wenn man an einen sauberen, aufgeräumten Arbeitsplatz komme, findet Ellen Wagner. Die Herausforderung dabei: „Sich nie auf seinen Lorbeeren ausruhen zu können.“ So macht jeder Teamleiter jeden Monat einen Verbesserungsvorschlag. „Denn Lean Management hört nie auf.“ Bei Wagner System arbeitet man also auch in Zukunft daran, stetig besser zu werden.

Mehr Platz in Lahr

In einem Zeitraum von 18 Monaten wurde das bestehende Logistikzentrum in Lahr mit rund 3.900 m² Produktions- und Lagerfläche bei laufendem Betrieb komplett umgebaut – und zeitgleich direkt daneben auf über 2.000 m² ein klimafreundliches, energieeffizientes und ressourcenschonendes neues Unternehmensgebäude errichtet. Damit trug Wagner System dem durch die positive Unternehmensentwicklung der vergangenen Jahre gestiegenen Flächenbedarf Rechnung. Die Energie stammt von einer Photovoltaik-Anlage auf der gesamten Dachfläche; geheizt wird mittels Wärmepumpe und Betonkernaktivierung sowie einer Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung. Die Logistikerweiterung bietet fünf Überladebrücken für Lkw- und Container-Anlieferungen und eine funkgesteuerte Verschieberegalanlage mit 2.600 Palettenstellplätzen. In einer festen Industrieregalanlage finden sich zusätzlich 1.000 Palettenstellplätze; eine Empore hält rund 400 m² zusätzliche Lager- und Arbeitsfläche bereit. Direkt neben dem Neubau hat Wagner eine rund 10.000 m² große Bienenweide mit Streuobstwiese samt Insektenhotel angelegt.

Dies ist die Langversion des Beitrags aus der Printausgabe diy 5/2024

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