Jeder verkauft alles

Heute ist in deutschen Baumärkten wirklich alles zu haben. Wie wollen sich die Betreiber da noch von ihren Wettbewerbern absetzen? Das Beispiel Hornbach zeigt einen anderen Weg

Die Grenzen zwischen den einzelnen Einzelhandelssparten verwischen sich immer mehr. Früher war klar, dass man an der Tankstelle nur Benzin und maximal seinen Wagen gewaschen bekommt. Der Lebensmittelhandel verkaufte Lebensmittel, der Möbelhandel Möbel, im Papierladen bekam man alles ums Büro, im Blumenladen blühende und grünende Gewächse zum Verschenken. Und die Baumärkte besaßen noch eine klar definierte Zielgruppe und ein stringent abgegrenztes Sortiment.
In dem Maße, wie „der Kunde“ vom Handel immer mehr individualisiert gesehen und angesprochen wurde und der Wettbewerb der einzelnen Vertriebslinien zuerst in den oft miteinander verzahnten Randsortimenten stärker wurde, so wurde versucht, neue Umsätze durch neue Produkte zu „generieren“, so der neudeutsche Begriff. Zuerst Auto- und Radsortimente, dann Möbel, zwischendrin noch für den Spontankauf den Schnelldreher Eis an der Kasse, gemischt mit regionalen Angeboten wie Sportfischerei, Kanu, Bergsteigen und Jagen – heute ist in deutschen Baumärkten wirklich alles zu haben.
Doch wie ein kollabierendes Universum auf einen einzigen Fluchtpunkt zustrebt und sich dort auflöst, so entdeckten so ziemlich alle Handelsparten die Möglichkeiten des „Cross- and Up-Selling“. Während Tchibo Baumarktprodukte verkauft, gibt es Kaffee bei Praktiker, Marktkauf verkauft Autos, Discounter wie Aldi und Lidl bieten Grünpflanzen und Schlagbohrmaschinen an, Möbelhäuser kümmern sich um die Gartenmöblierung, OBI kopiert Ikea. Wein, Obst, Saft, Spielzeug, Küchengeräte, Nudeln, Frischblumen, Drogerieartikel – alles ist in Baumärkten inzwischen zu finden.
Jeder verkauft (fast) alles. Jeder stürzt sich ins Getümmel, in die Mitte, wo schon so viele Wettbewerber miteinander im Clinch liegen. Nur: Von der Angebotsseite scheint es zwischenzeitlich vielen Baumarktbetreibern schwer zu fallen, sich von den Wettbewerbern zu differenzieren. Wo bleibt das Unverwechselbare bei Max Bahr und OBI, wo die Individualität von Hagebau und I&M, wo die persönliche Note bei Bauhaus und Marktkauf? Wo bleibt auf Handelsseite das, was die Branche die Unique Selling Proposition (USP) oder auf gut deutsch Alleinstellungsmerkmal nennt, wenn es um die angebotenen Produkte geht?
Hornbach geht seit einigen Jahren einen konsequent anderen Weg und konzentriert sich wieder mehr auf seine Kernkompetenzen, spricht sehr stark den Profi auf Zeit und die Handwerker an. Dekorative Sortimente ja, aber eher dezent und nicht allzu stark im Vordergrund. So haben es die Pfälzer geschafft, sich als einer der wenigen Baumarktbetreiber ein unverwechselbares Image zuzulegen. Vielleicht eine glückliche und frühzeitige Neuausrichtung.
Dr. Joachim Bengelsdorf
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