Die Zeit der Ruhe ist vorbei

Sie lebt noch, die DIY-Branche! Gut, zu diesem Urteil gelangt man nicht zwangsläufig, wenn man gerade die Eisenwarenmesse/Practical World in Köln besucht hat und durch die – zugegebenermaßen schönen und neuen – Hallen 7 und 8 gewandert ist, in denen ja die Baumarktlieferanten ihren Schwerpunkt hatten. Da war vor leeren Ständen statt zahlreicher Besucher eher eine Mischung von Tristesse und Melancholie anzutreffen. Und auch die Umsatzzahlen der ersten Monate dieses Jahres lassen eher vermuten, die deutsche Heimwerkerbranche sei mehr moribund als vital, mag das Wetter daran auch noch so Schuld haben.
Nein, die zarten Lebenszeichen, die ich diagnostiziere, sind anderer Natur. Seit Jahren ist es unter Baumarktkennern fast ein Allgemeinplatz: Wir haben zu viele Baumärkte, zu viele Marktteilnehmer, zu viel Wettbewerb. Schon seit Jahren wird erwartet, dass sich der Markt auf irgend eine Art und Weise selbst zu regulieren beginnt. Wie viele Marktuntersuchungen haben wir nicht im Jahr 2005 gelesen? Nicht alle Studien waren seriös. Jedoch: Tatsächlich geschehen ist in den vergangenen fünf Jahren noch relativ wenig. Jetzt scheint Bewegung in den DIY-Markt zu kommen.
Man könnte fast vermuten, dass der Börsengang von Praktiker und der Rückzug von Obi aus China und seine Neuausrichtung nach Russland im vergangenen Jahr Signale gesetzt haben. Seitdem ist wieder eine nervöse Dynamik spürbar: Hagebau und Zeus, I&M Interbaustoff und Toom Baumarkt, Max Bahr und Hellweg – strategische Allianzen und Einkaufskooperationen blühen. Max Bahr nimmt richtig viel Geld für seine Expansionspläne in die Hand, die Zeus plant – endlich! – für das Ausland, Obi und Hornbach füllen ihre Kriegskassen über neue Finanzierungsmethoden. Auf der anderen Seite will sich, so denn Zeitungsberichte stimmen, die Edeka von Teilen oder sogar ganz von ihrer Baumarktsparte Marktkauf trennen. Es tut sich was im einig Baumarktland.
In den vergangenen Jahren haben die deutschen Baumarktbetreiber ihre Hausaufgaben gemacht, ihre Sortimente auf Vordermann gebracht, die Kosten reduziert, in Markenaufbau investiert und vieles mehr getan. Diese Zeit relativer Ruhe (wenigstens nach außen) scheint jetzt vorbei zu sein. Müssen wir uns deshalb Sorgen machen? Veränderung bedeutet Entwicklung. Diese kann langsam und kontinuierlich, aber auch sprunghaft und unkontrolliert erfolgen. Veränderung ist zwar kein Selbstzweck, sondern muss immer auf ihren Sinn und ihr Ziel abgeklopft werden. Doch sie ist gleichzeitig notwendig. Wer ihr positiv und aufgeschlossen gegenüber steht, kann sie auch beeinflussen und die Entwicklungsrichtung und ihre Dynamik mitbestimmen.
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