Die Trendfarben in diesem Jahr sind erdig, grau und blau-grünlich. 
Die Trendfarben in diesem Jahr sind erdig, grau und blau-grünlich. 

Heimtextil | Langfassung

Stoff im Wandel

Die Heimtextil-Branche setzt auf dem Weg zu nachhaltigerem Wirtschaften auf natürliche Materialien und technische Unterstützung. Doch man ist sich einig: Ohne den Menschen geht es nicht.  

Künstliche Intelligenz ist derzeit in aller Munde. Deshalb hat das diy-Magazin diesem Thema in seiner Dezember-Ausgabe auch einen Schwerpunkt gewidmet. Darin wurde vorgestellt, wie die neue Technologie etwa Kunden beraten, Empfehlungen aussprechen, Content erstellen oder Texte übersetzen kann. Auch in der Heimtextil-Industrie bietet sie zahlreiche Einsatzmöglichkeiten, wie die gleichnamige Messe zeigte, die Anfang Januar in Frankfurt stattfand.

Die Organisatoren stellten das Thema denn auch gleich in der Eröffnungspressekonferenz in den Fokus. So können KI-Werkzeuge neue Muster und Formen für Textilien und Einrichtungsgegenstände entwerfen, diese Designs zeichnen, Teile der Fertigung übernehmen und sie optimieren. Das mache Produktionsprozesse schneller und effektiver. Und auch im Sinne der Kreislaufwirtschaft ergeben sich Potenziale: Mithilfe von virtueller Realität lässt sich etwa vor dem Kauf testen, ob ein Produkt zum eigenen Wohnstil passt, um Retouren zu vermeiden, oder die Menge an Stoff berechnen, die für den Bezug eines Möbelstücks benötigt wird, um Ressourcen zu sparen. Das Unternehmen New Retex nutzt künstliche Intelligenz dazu, ausgediente Textilien zu sortieren, damit diese aufbereitet und weitergenutzt werden können. Der IT-Experte Variant 3D wiederum bietet eine KI-getriebene Stricksoftware, mithilfe derer selbst komplexe Formen wie Lampenschirme ohne Mustererstellung hergestellt werden können.

Der Bezug dieses Sessels lässt sich durch Augmented Reality verändern. So können verschiedene Designs getestet werden, ohne sie alle herstellen zu müssen. 
Der Bezug dieses Sessels lässt sich durch Augmented Reality verändern. So können verschiedene Designs getestet werden, ohne sie alle herstellen zu müssen.  (Quelle: Dähne Verlag)

Die Angst vor einem Wegfall von Arbeitsplätzen durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz teile man nicht, unterstrich KI-Berater Danny Richman. Ganz im Gegenteil: Werde der Designer oder Hersteller in seiner Tätigkeit von der Technik unterstützt, bleibe mehr Zeit für neue Ideen und Verbesserungen. Und Trendexpertin Anja Bisgaard Gaede ergänzte: „Kreativität soll nicht ersetzt werden, wir brauchen Kreativität!“

Die Nutzung von Technologie zur Gestaltung und Herstellung von Textilien bildete einen Schwerpunkt der aktuellen Heimtextil-Trends, die das Trendbüro Spott Trends & Business im Rahmen einer Sonderschau auf dem Messegelände vorstellte. Unter der Überschrift „New Sensitivity“ werden Ansätze zusammengefasst, die ein Wirtschaften anstreben, das die Empfindlichkeit des Ökosystems auf der Erde berücksichtigt.

Ein weiteres Thema war dabei die Verwendung pflanzenbasierter Materialien. Stoffe können beispielsweise aus Seegras, Kakteen- oder Pilzfasern hergestellt werden. Ebenfalls geeignet sind Nebenprodukte, die bei der Verarbeitung von Bananen, Oliven oder Kakis entstehen. Deren Vorteil: Sie können nach Ende ihrer Nutzungsdauer einfach kompostiert werden. 

Auch aus den Überresten, die bei der Bananenproduktion entstehen, lassen sich Stoffe herstellen.
Auch aus den Überresten, die bei der Bananenproduktion entstehen, lassen sich Stoffe herstellen. (Quelle: Dähne Verlag)

Sensibilität schlage sich auch in neuen Färbemethoden nieder, erklärte Bisgaard Gaede bei einem Rundgang über die Sonderfläche. Diese Industrie habe durch die Nutzung aggressiver Chemikalien in der Vergangenheit großen Schaden angerichtet. Das soll sich nun ändern. Auch hier bedient sich die Branche daher bei der Natur: Zum Einsatz kommen etwa Pigmente aus Avocadokernen, Algen oder Bakterien. Daraus entstehen erdige, grün-bläuliche, Grau-, aber auch Rottöne. Mithilfe von biotechnischen Verfahren lässt sich sogar Indigo herstellen.

Wer durch die Stände der diesjährigen Aussteller schlenderte, konnte diese Trendfarben immer wieder entdecken. So auch bei A.S. Création, der Marburger Tapetenfabrik, bei Komar oder Hohenberger. Die Marburger Tapetenfabrik etwa bringt mit ihrer neuen Kollektion Travertino Sand- und Steintöne an die Wand, weiter werden Geflecht, Leinen und Holz imitiert. Im vergangenen Jahr stellte das Unternehmen eine Tapete auf Lehmbasis vor, die bei den Kunden sehr gut ankam, wie Constance Wingender aus der Kommunikation erklärte. Sie zahle zu 100 Prozent auf das Thema Nachhaltigkeit ein und überzeuge auch bei der Wohngesundheit. Die Kollektion Eclectic von Marburgs Chefdesigner Felix Diener experimentiert mit Glasperlen und Flitterpartikeln, die bei Lichteinfall wie kleine Spiegel wirken. „Wir wollen ein Zeichen für das Produkt Tapete setzen“, unterstrich Key Account Manager Jens Ratz.

Optische Täuschungen nutzt auch A.S. Création: Tapeten aus der Reihe Modern Classic mimen das Aussehen der aktuell sehr beliebten Wandpaneele. Die vierte Edition von Walls by Patel nutzt technische Hilfsmittel wie Digitaldruck. Damit entstehen interessante Motive: Geht man ein paar Schritte zurück, erkennt man in den vielen kleinen Pixeln einen Schwimmer. Außerdem finden sich darin digital generierte Kunstwerke für die Wand. Im Fokus des Messeauftritts stand in diesem Jahr der Launch der Kollektion „Stories of Life“, die begleitet wird von einem Videoclip, der eine junge Zielgruppe ansprechen soll. Er zeigt die Erlebnisse von Lara, die mit ihrem Freund in die erste eigene Wohnung zieht – natürlich ausgestattet mit verschiedenen Tapetendesigns. Die Präsentation der neuen Konzepte und Kollektionen sei bei den Messebesuchern auf großes Interesse und positive Resonanz gestoßen, berichtet Andrea Schröder aus dem Marketing. Man sei sehr zufrieden mit dem Verlauf der Veranstaltung und den vielen inspirierenden Gesprächen. „Es war für uns von großer Bedeutung, ein positives Signal in die Branche zu senden“, hebt sie hervor. 

Anfassen erwünscht: Die neuen Tapeten zeichnen sich durch ihre besondere Struktur aus und spielen mit optischen Täuschungen. 
Anfassen erwünscht: Die neuen Tapeten zeichnen sich durch ihre besondere Struktur aus und spielen mit optischen Täuschungen.  (Quelle: Dähne Verlag)
Der Schwimmer wurde im Digitaldruck erstellt. Von der Ferne betrachtet, fügen sich die einzelnen Pixel zu einem Bild zusammen.
Der Schwimmer wurde im Digitaldruck erstellt. Von der Ferne betrachtet, fügen sich die einzelnen Pixel zu einem Bild zusammen. (Quelle: Dähne Verlag)
Bei Erfurt konnten Besucher sehen, wie das neue Vlies- und Strukturtapeten-Sortiment am POS präsentiert wird. 
Bei Erfurt konnten Besucher sehen, wie das neue Vlies- und Strukturtapeten-Sortiment am POS präsentiert wird.  (Quelle: Dähne Verlag)
Pufas zeigte – direkt neben den Tapetenherstellern – sein passendes Sortiment der Marke Decotric. 
Pufas zeigte – direkt neben den Tapetenherstellern – sein passendes Sortiment der Marke Decotric.  (Quelle: Dähne Verlag)

Ein positives Fazit zieht auch Marketing-Managerin Jutta Böttcher von Erfurt & Sohn. Der Hersteller, bei dem einst die Rauhfasertapete erfunden wurde, stellte bei der Heimtextil sein neues Vlies- und Strukturtapetensortiment sowie die Baustoffplatte „RapidBoard“ zur Innendämmung vor. Außerdem die Rauhfaser Family, die durch ihre Allergiker-Eignung und null schädlichen Ausdünstungen besonders gut für das Kinderzimmer geeignet ist. Man habe die Messe genutzt, um ein erstes Feedback einzuholen. Das habe sehr gut funktioniert. „Wir konnten in zahlreichen Gesprächen unsere Kunden von den neuen Produkten überzeugen, was zu weiteren Listungen geführt hat. Bei neuen potenziellen Kunden haben wir starkes Interesse geweckt und konkrete Ansätze für weitere Gespräche machen können. Der Relaunch des Vliesfaser-Sortimentes ist bei einigen Kunden bereits im Rollout“, so Böttcher.

Wo Tapetenhersteller sind, ist auch Pufas nicht weit. Das Unternehmen hat sich auf Tapetenkleister, Spachtelmassen und Reiniger spezialisiert und stellte dieses Sortiment in den Fokus seiner Ausstellung. „Die Teilnahme an der Heimtextil-Messe 2024 war für uns ein großer Erfolg“, betont Exportleiter Andreas Alexander. „Mit unseren Marken Pufas, Decotric und Glutoclean konnten wir einen starken Eindruck hinterlassen. Unser Messestand war sehr gut besucht und die Messe bot uns eine ausgezeichnete Plattform, um unsere Innovationen und bewährten Lösungen einem breiten Publikum zu präsentieren.“ Besonders hob er die zahlreichen neuen Kontakte im internationalen Bereich hervor: „Die Kontakte zu den Fachbesuchern aus verschiedenen Ländern waren nicht nur bereichernd, sondern haben auch neue Perspektiven für Geschäftsbeziehungen und Kooperationen eröffnet. Insgesamt war die Heimtextil 2024 ein wichtiger Jahresstart für unsere Markenentwicklung und -expansion.“

Im Rahmen der Messe informierten sich 46.000 Einkäuferinnen und Einkäufer aus rund 130 Nationen über Möbel- und Dekostoffe, Bett- und Badtextilien, Matratzen, funktionale Textilien, Teppiche, Tapeten, Outdoor-Stoffe, Kunstleder, Gardinen, Fasern, Garne, Schlafsysteme und Dekokissen. Die Ausgabe verzeichnete trotz bundesweiter Bahnstreiks ein Besucherplus und mit 2.838 Ausstellern aus 60 Nationen einen ausstellerseitigen Zuwachs um 25 Prozent im Vergleich zur Vorjahresveranstaltung, betonen die Veranstalter.

Dies ist die Langversion des Beitrags aus der Printausgabe diy 3/2024

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