Es ist eine eigene Welt, in der sich Astrid Reintjes tagtäglich bewegt. Über den Onlineshop Miss Pompadour verkauft sie gemeinsam mit ihrem Bruder Erik Reintjes und mit Niklas Lütteken die gleichnamige Farbenmarke. Doch das Essenzielle an dem Konzept spielt sich nicht (nur) auf der Website ab, sondern in anderen Kanälen: etwa in Facebook-Gruppen, auf Plattformen wie Instagram und Pinterest oder in der eigenen App – hier tauschen sich die begeisterten „Missen“, wie sich die Fans der Farbenmarke nennen, über Erfahrungen, Tipps und neue Ideen für Streichprojekte und andere kreative Arbeiten aus. „Unsere Kundinnen sind Mini-Influencerinnen“, sagt Reintjes.
Ein wichtiger Faktor dabei sind Vorher-Nachher-Bilder, die die Anwenderinnen hochladen können. „Wir erhalten am Tag rund 700 dieser Fotos“, berichtet die Geschäftsführerin. Diese Bilder haben einen Mehrfachnutzen: Sie bieten Inspiration für andere Kundinnen ebenso wie für die Produktentwickler von Miss Pompadour, sie helfen, weitere Aufmerksamkeit für die Marke zu schaffen und sie ermöglichen es den Anwenderinnen zu zeigen, was sie geschafft haben. Empowerment ist hier das Stichwort. „Es ist erschreckend, wie oft uns Frauen schreiben, dass ihr Mann ihnen das Streichen nicht zutraut“, sagt Reintjes. Angst und Selbstzweifel erlebe sie sehr häufig im Austausch mit ihren Kundinnen. Doch das positive Feedback anderer Missen und auch der Stolz, wenn man unter dem Hashtag „Weil ich es selber kann“ Fotos von gelungenen Ergebnissen postet, helfen dabei, solche Unsicherheiten zu überwinden.
Durch die ständige Interaktion entsteht ein Gemeinschaftsgefühl, das die Kundinnen ebenso wie die Mitarbeitenden der Farbenmarke umfasst und sie immer tiefer in die Welt der Farben eintauchen lässt. Das ermöglicht eine feste und beständige Kundenbindung, auch wenn es gerade einmal nichts zu streichen gibt. „Deutsche streichen im Schnitt alle sieben Jahre neu“, weiß die Farbenexpertin und ergänzt: „Wir schaffen es, dass unsere Kundinnen mehr gestalten als die eine Statement-Wand.“ Das gelinge vor allem durch die Inspirationsvielfalt auf den sozialen Netzwerken. Und stehe dann doch einmal eine längere Pause an, beschäftigten sich die Frauen trotzdem täglich mit Farbe. „Auch wer nicht streicht, bleibt im Kosmos, in dem Projekte, Trends und Influencer vorgestellt werden“, erklärt sie.

Denn auch wenn die Kundschaft selbst für die Marke wirbt, sind die „richtigen“ Influencer für Miss Pompadour sehr wichtig. Manche haben sogar einen eigenen Farbton, andere wiederum bleiben besonders lange dabei, weil sie etwa einen Bauernhof renovieren. Sie bringen zusätzliche Emotionalität in das Thema Farbe, etwa wenn sie Nutzerinnen in Homestories einen persönlichen Einblick in ihr Zuhause geben.
Gleichzeitig, unterstreicht Reintjes, haben Farben selbst schon eine starke Wirkung. „Farbe macht so viel mit uns“, erläutert sie und plädiert dafür, Farbpsychologie stärker im öffentlichen Raum stattfinden zu lassen. In Krankenhäusern, Gefängnissen, Schulen – an so vielen Orten könnte eine fröhlichere Farbgebung einen positiven Effekt auf den Heilungs-, Besserungs- oder Lernprozess haben, ist die Fachfrau überzeugt.
Zunächst richtet sich das Konzept aber primär an Heimwerkerinnen. „Wir haben nie ein Produkt entwickelt und dann überlegt, welche Kundinnen wir ansprechen sollen. Wir kannten unsere Zielgruppe immer genau und haben dann gezielt Produkte für sie entwickelt“, erinnert sich Reintjes und merkt an: „Die klassische DIY-Kundin braucht eine andere Farbe als ein Maler.“ Während der Profi ein Produkt benötigt, mit dem er in kurzer Zeit viel Fläche streichen kann, wünscht sich der Laie eine hohe Deckkraft nach wenigen Wiederholungen und eine Farbe, die nicht tropft, so die Erkenntnis.
Dass Reintjes vor allem über weibliche Kundschaft spricht, ist kein Zufall. Zwar seien auch Männer darunter, doch primär richtet sich das Konzept an Frauen. „Die Branche ist sehr männlich geprägt. Produkte werden von Männern für Männer entwickelt. Und diese verstehen leider oft den Need von Frauen nicht“, begründet die Geschäftsführerin diese Ausrichtung. So hat Miss Pompadour etwa einen Pinsel speziell für Frauenhände entwickelt, der kleiner ist und nicht so schwer in der Hand liegt. Und er ist pink. „Anfangs wurden wir sehr dafür belächelt – aber mittlerweile haben wir eine Million solcher pinken Pinsel verkauft“, berichtet sie.

Die Orientierung an der weiblichen Zielgruppe ist auch einer der Gründe, warum die Marke im vergangenen Jahr den ersten Versuch, im stationären Handel Fuß zu fassen, in Märkten der Gartencenter-Kette Dehner startete. „Der Gartencenter ist der Baumarkt der Frau“, hält Reintjes fest. Das Projekt wurde inzwischen eingestellt, der Farbenanbieter bereut es aber nicht. „Wir haben viel gelernt“, betont die Gründerin. Ein Learning war, dass ein Roll-out nur über alle Filialen sinnvoll ist: „Da wir es aber zunächst nur an sieben Standorten getestet haben, waren einige Kundinnen verärgert, dass es unsere Produkte nicht in ihrem Geschäft vor Ort gibt.“ Ebenso wichtig sei es, dass auf Handelsseite die gesamte Organisation dahinterstehe. Das sei in einigen Märkten nicht der Fall gewesen.
Der Verkauf über den stationären Handel bleibt für das Unternehmen weiterhin relevant. Ein Vorteil sei zum Beispiel, dass Kunden, inspiriert von Projekten, die sie online entdeckt haben, die passenden Produkte sofort im Markt kaufen können – etwas, das der Onlinehandel nicht bieten kann. Und gleichzeitig ist Miss Pompadour dazu in der Lage, den Handel, der immer wieder mit fehlendem Personal auf der Fläche kämpft, bei der Kundenberatung zu unterstützen. Denn neben den Onlineforen, in denen sich die Missen gegenseitig helfen, stellt die Marke rund um die Uhr, an sechs Tagen in der Woche, einen Kundenservice per Telefon, E-Mail, über Messenger und in sozialen Medien zur Verfügung.
Seine Stärken in der Kundenberatung spielt die Marke auch in einer neuen Kooperation aus, die erst kürzlich bekannt wurde: Ab Januar 2026 sind die Farben in mehr als 150 Hornbach-Märkten in Europa verfügbar. Dafür wurde ein eigenes Beratungskonzept entwickelt, das die Kundschaft durch ihre Streichprojekte führt und digitale und analoge Elemente vereint. Der digitale POS-Berater mit Touchdisplay zeigt die einzelnen Schritte und welche Materialien dabei notwendig sind. 96 Farbkollektionen von Miss Pompadour sowie elf Zubehörartikel stehen zur Auswahl. Viele Farbtöne sind direkt als Dose erhältlich oder werden vor Ort individuell angemischt. Ergänzt wird das Konzept durch neue, selbsterklärende Verpackungen. Auch Präsentationsformate wie Regalwand, Paletten-Display oder Koje hat der Hersteller eigens für den Auftritt in den Märkten entwickelt.
Und ohnehin sind die Farben und Werkzeuge von Miss Pompadour schon länger in den Kanälen großer Baumarktketten zu finden: Hornbach und Obi bieten sie auf ihren Marktplätzen an. „Damit haben Frauen die Möglichkeit, ihren skeptischen Partnern zu zeigen, dass unsere Produkte ja so verkehrt nicht sein können, wenn man sie auch beim gewohnten DIY-Händler kaufen kann“, führt Reintjes an. Und vielleicht lassen sich dadurch auch neue Fans der Miss-Pompadour-Welt gewinnen.
Laura Rinn
Vom Concept Store zum Online-Kosmos
Astrid Reintjes, Mitgründerin und Co-CEO der Miss Pompadour GmbH, ist durch Zufall in die Branche hineingestolpert, wie sie selbst betont. Sie hatte schon immer Spaß am Gestalten. In einem Concept Store in Regensburg bot sie selbst aufbereitete Möbel im Shabby-Schick-Stil an. Dabei setzte sie Farben der niederländischen Marke „Painting the past“ ein, einer der ersten Anbieter wasserbasierter Lacke. Unter Reintjes Kunden wurde schließlich der Wunsch laut, neben Möbeln auch die verwendeten Farben zu kaufen – und sie erweiterte ihr Sortiment. Als sie den Laden 2018 schloss, äußerten viele Kundinnen und Kunden den Wunsch, die Farben weiterhin kaufen zu können. Reintjes griff diese Nachfrage auf, nutzte den ursprünglich für den Laden entwickelten Online-Shop und wandelte ihn in einen reinen Farb-Online-Shop um. Gemeinsam mit ihrem Bruder Erik und Niklas Lütteken startete sie 2019 den Online-Shop zunächst nur mit Fremdmarken. 2020 folgten die ersten Eigenprodukte, aus denen sich im Laufe der Jahre die heute etablierte Farbmarke Miss Pompadour entwickelte.
Dies ist die Langversion des Beitrags aus der Printausgabe diy 10/2025.