Schrittmacher in der Nische

Dr. Ottmar Franzen, Konzept & Markt GmbH
Dr. Ottmar Franzen, Geschäftsführender Gesellschafter Konzept & Markt GmbH
28.11.2014
Auf Märkten mit nur wenigen starken Marken lohnt sich das Investment in die Marke überproportional.

Die Nachfrage seitens der Kunden braucht Impulse, um stets neu geweckt zu werden. Warum sollte ich mir einen neuen Rasenmäher kaufen, wenn der alte nicht kaputt ist? Oder was gibt mir den Anreiz, neben einem Elektrogrill noch einen mit Holzkohle befeuerten Kugelgrill zu kaufen? Zwar fördern Werbung und attraktive Preisnachlässe kurzfristige Kaufentscheidungen. Bedarf oder Nachfrage wird aber nur geweckt, wenn Produktalternativen einen echten Mehrwert oder Zusatznutzen bieten. Und natürlich, wenn sie begehrenswert erscheinen.
Attraktive Marken setzen Innovationsimpulse in den Sortimenten und bringen auch in gesättigten Märkten Verbraucher zum Kauf. Dennoch kommt es immer wieder vor, dass Märkte im Dornröschenschlaf liegen, weil sie als partout irrelevant für Marken gesehen werden. Aber kann das überhaupt mög­lich sein? Die Analyse von Marken zeigt, dass starke Marken unentbehrlich sind, um Sortimente aktuell zu halten. Insofern profitieren von starken Marken im Angebot Händler wie Hersteller gleichermaßen.
Ein kurzer Blick in die Thesen von Hans Domizlaff erinnert daran, dass es so etwas wie einen natürlichen Prozess der Markenbildung gibt. Ein überzeugendes Produkt mit einem klaren Kundennutzen wird weiterempfohlen, spricht sich herum - wird quasi automatisch zur Marke.
Nun existieren aber Märkte, die per se für Marken relevanter erscheinen als andere. Unstrittig ist, dass wir im Markt für Autos oder Parfums jede Menge starke Marken haben, die die markentechnische Entwicklung von Märkten vorantreiben.
Im Rahmen unserer Markenwertanalysen haben wir zahl­reiche Märkte kennen gelernt, in denen überhaupt keine starken Marken zu finden oder nur eine oder zwei davon entstanden sind.Dass sich ein Investment in Markenaufbau aber lohnt, wird intuitiv an einem Beispiel deutlich, das zeigt, wie eine Pioniermarke den Markt überhaupt erst markentechnisch zu entwickeln vermag. Dieses Phänomen ist oft auf Märkten zu beobachten, die nicht sehr stark beworben werden. Starke Marken sind auf solchen Märkten die Schrittmacher des Wettbewerbs und der Produktentwicklung - oftmals so stark, dass sie sogar zu Gattungsbegriffen mutieren.
Ein geradezu musterhaftes Beispiel, das wir bei unseren Marktuntersuchungen gefunden haben, ist die Marke Weber Grill. Bis vor wenigen Jahren waren die üblichen Garten-Holzkohlegrills nicht gerade technologisch anspruchsvolle Produkte. Sie bestanden aus einer Stahlschale und einem Grillrost. Anspruchsvollere Grills hatten immerhin eine Belüftung am Boden durch simple Löcher oder verstellbare Lamellen.
Weber Grill brachte als Innovation das geschlossene Grillen mit Deckel nach Europa. In Amerika war diese Methode des Grillens schon weit verbreitet, für Deutschland aber eine Innovation. Dieser technologische Impuls für das langweilige Produkt Holzkohlegrill führte zu so etwas wie Markenbewusstsein auf einem Markt, der bis dahin praktisch keine Marken kannte.
In so einer Ausgangssituation reichen bereits geringe Invest­ments in die Marke, um diese aus dem Wettbewerbsumfeld deutlich herauszuheben. In der unten stehenden Grafik wird die Werbebekanntheit (waagerechte Achse) der einzelnen Grillgerätemarken der Anschaffungsabsicht (senkrechte Achse) gegenübergestellt. Das Bild zeigt einen fast perfekten Zusammenhang. Auch wenn die Werbebekanntheit mit knapp 30 Prozent im Vergleich zu klas­sischen Food-Märkten nicht gerade hoch erscheint, treibt sie doch in erheblichem Maß die Kaufbereitschaft für die Marke auf fast 50 Prozent. Damit setzt sich Weber Grill von seinen Wettbewerbern überproportional ab. Ein ähnlicher Effekt, wenn auch auf niedrigerem Niveau, ist für die zweit­stärkste Marke zu beobachten.
Wir haben gelernt, dass auf Märkten mit vielen starken Marken ein Investment in die Marke unerlässlich ist. Aber auf Märkten mit nur wenigen starken Marken scheint sich das Investment in die Marke überproportional zu lohnen: Die Markenwertschöpfung ist hier besonders hoch.
Diese Erkenntnisse sollten Unternehmen, die auf Märkten mit ausschließlich schwachen Marken aktiv sind, motivieren, ihre eigenen Marken konsequent aufzubauen. In dieser Entwicklungsphase sind die Potenziale für die Wertschöpfung besonders hoch und eine Marke hat die Chance, zum Schrittmacher für das gesamte Sortiment zu werden.
Dass Investitionen in Markenbekanntheit helfen, auch image­seitige Wertschöpfungspotenziale zu heben, wird auch in den Beurteilungen der Markenleistungen deutlich. So punktet Weber als bekannteste Marke auch in allen relevanten Imageeigenschaften und hebt sich deutlich vom Durchschnitt aller Wettbewerber ab.
Darüber hinaus wird Weber in den relevanten Eigenschaften "Gewährleistung der Sicherheit" und "Langlebigkeit des Grillgerätes" wesentlich häufiger positiv eingeschätzt als die übrigen Wettbewerber. Dies führt dazu, dass Weber trotzt des höheren Preises ein etwas besseres Preis-Leistungs-Verhältnis als für die Wettbewerber zugesprochen wird. Dass es sich hier um die wichtigste Markenleistung handelt, ist ein Indiz dafür, dass der Markt durchaus preisgetrieben ist und somit auch eine eher unterdurchschnittliche Markenrelevanz hat.
Am Beispiel Weber Grill wird erkennbar, dass auf markentechnisch wenig entwickelten Märkten Investments in die Marke eine überproportional hohe Wirkung erzielen können. Insofern hilft neben dem detaillierten Blick auf die einzelne Marke immer auch eine Analyse der gesamten Marktsituation.Gerade auf markentechnisch wenig entwickelten Märkten ist nicht ausgeschöpftes Wertschöpfungspotenzial zu finden, von dem der Handel und die führenden Hersteller gleichermaßen profitieren können. Wer dabei als erster Anbieter seine Marke konsequent entwickelt, wird sich deutlich von den Mitbewerbern abheben und die eigene Marke als Schrittmacher für den gesamten Markt positionieren.
Grafik, Grillgeräte
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