Der Sieg der Larmoyanz

Deutscher Handelskongress: Geballtes Fachwissen, Kompetenz pur, wirtschaftliche Macht und politische Lobbyistenprofis sind in der Bundeshauptstadt vereint und verweisen auf eigene Erfolge in wirtschaftlich schwerer Zeit?

Ende Oktober dieses Jahres, Berlin, Deutscher Handelskongress: Auftritt der Granden der bundesdeutschen Handelsszene. Geballtes Fachwissen, Kompetenz pur, wirtschaftliche Macht und politische Lobbyistenprofis sind in der Bundeshauptstadt vereint und fordern selbstbewusst mehr Mitsprache und Einfluss, präsentieren neue Konzepte und Modelle, verweisen auf eigene Erfolge in wirtschaftlich schweren Zeiten.
In Wirklichkeit jedoch herrschte in der Spree-Metropole Tristesse unter den versammelten Handelsvertretern, brach sich Larmoyanz Bahn. Schuld an der deutschen Handelsmisere sei die Bundesregierung und Rot-Grün. Zu hohe Steuern und Lohnnebenkosten, zu viel Bürokratie, zu wenig Flexibilität, fehlende Aushilfskräfte. „Zu hoch, zu wenig, zu viel“ klang es einem weinerlich gebetsmühlenartig entgegen. Dies alles seien die Gründe für die Kaufzurückhaltung der Kunden, die stagnierenden oder sinkenden Umsätze im Handel. Wer immer weniger Geld in der Tasche habe, der halte seine Groschen oder Cents eben zusammen.
Natürlich war es eine katastrophale Fehlentscheidung der neuen Regierung und der sie tragenden Parteien, keinen hochrangigen Vertreter zum Handelskongress keine 500 Meter vom Reichstag entfernt zu schicken. Während die CDU mit Generalsekretär Laurenz Meyer kam, war die Regierung mit einem Ministerialbeamten aus dem Wirtschaftsministerium vertreten. Den hat Meyer mal gerade so im Vorbeigehen vernascht.
Dass bei der Vorstellung dieses Beamten einzelne, leise Rufe „Hängt ihn auf“ zu vernehmen waren, zeigt aber leider auch, was für ein Geist auf dem Kongress wehte. Die Aggressivität gegenüber SPD und den Grünen war deutlich zu spüren. Da hatten wohl einige der Anwesenden den Wahlausgang noch nicht verkraftet. Und dazu passte auch, wie einige Polemiken von Verbandsvertretern vorgetragen wurden.
Keine Frage, die Mittelstands- und Steuerpolitik der aktuellen Regierung kann man zu Recht und trefflich kritisieren. Aber man gewinnt an Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft, wenn man auch vor seiner eigenen Haustür kehrt. Bereits seit zehn Jahren verzeichnet der deutsche Handel insgesamt keine Umsatzzuwächse mehr. Gleichzeitig nimmt die Verkaufsfläche kontinuierlich zu, die Quadratmeterumsätze und Renditen sinken drastisch. Die Lebensmittler und andere – z.T. auch die DIY-Branche – ergehen sich in einem gnadenlosen Preiskampf. Und dann kommt noch – ob der Handel daran mitschuldig ist oder nicht, sei dahin gestellt – die Erfahrungen der Verbraucher bei der Euro-Umstellung.
Und was macht der deutsche Handel: Er zeigt auf die Politik, die sind schuld! Dabei scheint doch vielen Händlern selbst zur Kundenbindung und -akquirierung nur noch der Preis einzufallen. Etwas dürftig, oder?
Dr. Joachim Bengelsdorf
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