Was Bilder und Zahlen gemeinsam haben

Fast automatisch gehen wir davon aus, dass Tabellen, Grafiken und einzelne Zahlenangaben immer korrekt sind. Doch man kann damit natürlich auch Unternehmenspolitik machen

Der Glaube an die Wahrheit, die Allgemeingültigkeit von Zahlen ist auch heutzutage immer noch stark ausgeprägt. Wenn Baumarktbetreiber ihre neuesten Umsatz- und Renditezahlen melden, wenn Diy-Marktforschungsunternehmen Vergangenes erkunden oder die Zukunft voraussagen, wenn Verbände aufgrund einzelner geschätzter Monatsergebnisse den erwarteten Branchenumsatz für das ganze Jahr hochrechnen, in der Regel vertrauen wir den Erhebungen und Statistiken. Wie wir im Fernsehen dem Bild den größten Wahrheitsgehalt zubilligen, so setzen wir fast automatisch im Printbereich voraus, dass Tabellen, Grafiken und einzelne Zahlenangaben immer korrekt sind.
Dabei ist es heute ja bei Bildern „dank“ digitaler Fotografie und ausgeklügelter Bildbearbeitungsprogramme selbst für den Laien möglich, ohne allzu großen Aufwand Fotografien zu „optimieren“. Der Himmel wird blauer, Falten im Gesicht werden wegretuschiert, der dunkle Hintergrund künstlich aufgehellt. Wer will, kann Köpfe von Personen austauschen oder störende Säulen im Vordergrund verschwinden lassen.
Seitdem es Film und Fotokamera gibt, gibt es auch diese „kreative Bildbearbeitung“. Erinnert sei an das berühmte Bild von Stalin während der Parade zur Oktoberrevolution, auf dem nach und nach immer wieder einzelne, von ihm umgebrachte Widersacher herausretuschiert wurden. Bilder sagen nicht immer die Wahrheit. Sie können lügen. Das trifft auch auf Zahlen zu.
Es muss nicht immer böser Wille dabei sein. Wer Daten von Unternehmen abfragt, der kann a priori nicht immer sicher sein, dass sie sich alle auf die gleiche Basis beziehen. Wenn Schätzungen dabei sind, erhöht sich die Fehlerquote zusätzlich gigantisch. Doch wird mit Zahlen natürlich auch Unternehmenspolitik betrieben. Damit man beim Umsatz besonders gut da steht, werden vielleicht plötzlich Unternehmenstöchter mit rein gerechnet, die bisher nicht berücksichtig wurden. Oder wer seinen Marktmitarbeitern die Knute zeigen will, der rechnet plötzlich Abstell- und Sozialräume seiner Baumarktstandorte den Verkaufsflächen hinzu und schon sinkt der Quadratmeterumsatz. Wer im Gegenzug seinen Inhabern oder Aktionären gefallen will, dem steht auch der gegenteilige Weg offen: Flächen runter und Quadratmeterumsätze hoch rechnen. Es gibt Unternehmen der deutschen DIY-Branche, die haben dies in einem Jahr gleich mehrmals gemacht, je nachdem, was man bewirken wollte.
Zahlen verfolgen uns inzwischen ja das ganze Jahr über: Monats- und Quartalszahlen, Geschäftsberichte etc. Zu Jahresbeginn ist aber immer noch eine Inflation an Rückschauen, Prognosen und „harten Fakten“ festzustellen. Irren ist menschlich und nicht immer ist, wie gesagt, Absicht dabei. Aber genau hinschauen sollte man auf jeden Fall.
Dr. Joachim Bengelsdorf
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