Das Multi-Hochzeiten-Prinzip

Auch nach der jüngsten Schließung eines Online-Shops bleibt DIY im Netz als Geschäftsmodell interessant - für etablierte Baumarktbetreiber ebenso wie für Internet-Spezialisten

Es war im schönen Monat Mai, da hat Praktiker vom einen Tag auf den anderen die Läden seines Online-Ladens runtergelassen. Obwohl die Wachstumsraten da waren, wie das Unternehmen versichert, kamen noch lange keine schwarzen Zahlen in Sicht.
Ein Investment aufzugeben, das sich nicht rechnet, ist keine Schande. Die Frage ist, welche Schlüsse daraus zu ziehen sind. Sind Heimwerkerprodukte doch ungeeignet für den Distanzhandel? Dann ließen sich auch keine Wohnzimmereinrichtungen oder Waschmaschinen per Katalog verkaufen. Es sind gerade die hochwertigen, investiven Güter, die in den Online-Shops gut gehen. Nicht umsonst punkten DIY-Anbieter im Netz mit ihren Gartenhaus- oder Saunakonfiguratoren.
Zu Zeiten des Internet-Hype stellten auch in der Baumarktbranche die Zweifler eine Minderheit. Groß war die Aufregung, als 1999 die Virtuelle Bau-Markt AG gestartet ist und die Branche wie der Rest der Welt fürchtete, Miniunternehmen von Softwarespezialisten könnten ganze Wirtschaftszweige aus den Angeln heben. Ganz so einfach geht es dann doch nicht, und um den einstigen Vorreiter ist es stiller geworden. Die Investoren Burda und Kingfisher haben sich wieder zurückgezogen.
Aber der Shop wirft Profit ab, sagt der Betreiber: Im Internet lässt sich Geld verdienen – wenn man das richtige Geschäftsmodell hat (das sich nicht in der schlichten Übertragung von Offline-Prozessen in die Online-Welt erschöpfen kann) und sich darauf konzentriert.
Die Begründung, die Praktiker für sein Ausscheiden aus diesem Segment geliefert hat, zielt in diese Richtung: Nebenher lässt sich so ein Geschäft nicht betreiben. Man kann nicht auf mehreren Hochzeiten tanzen.
Man kann. Zum Beispiel, indem man sich mit dem richtigen Partner liiert. So haben Obi und Otto das Mehr-Hochzeiten-Prinzip – das Multi-Channel-Konzept – vorangetrieben. Noch sind außer dünnen Mitteilungen über Steigerungsraten bei den Besucher- und Umsatzzahlen keine Vollzugsmeldungen durchgedrungen, ob aus dem gemeinsamen Abenteuer dieses eheähnlichen Verhältnisses eine echte Zugewinngemeinschaft wird.
Doch DIY im Netz ist inzwischen wieder für Branchenfremde interessant. Amazon hat nach einer Testphase seinen Haus & Garten Shop eröffnet, Ebay war bereits zum zweiten Mal mit einem Stand auf der Practical World. Baumarktketten wie Max Bahr haben den Online-Marktplatz als alternativen Vertriebsweg entdeckt. Heimwerken & Garten gehört auf der weltweiten Auktionsplattform zu den Kategorien mit den höchsten Umsätzen – beileibe nicht nur mit gebrauchten Geräten. Denn weder Markenhersteller noch der Handel wollen den neuen Kandidaten auf dem virtuellen DIY-Parkett ein Tänzchen verwehren. Zu lukrativ ist dieser Markt, um ihn den Online-Spezialisten zu überlassen.
Rainer Strand
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