Gefährliche Träume

Es war überraschend, wie sehr das Thema „Baumarkt, Baustoffe und Handwerker“ den diesjährigen Internationalen Baumarktkongress des BHB in Köln bestimmte. Fast hätte man meinen können, das Wohl und Wehe der deutschen DIY-Branche werde von diesem Themenkomplex bestimmt.
Wer über die Bau in München ging, sah dort auch viele Baumarktverantwortliche schlendern. Gleichzeitig zeigten immer mehr Aussteller an der Isar auch ihre Einzelhandelssortimente. Viele Baumarktbetreiber kümmern sich augenblicklich intensiv um ihre Baustoffabteilungen (siehe Hellweg); Baustoff-Drive-Ins liegen nicht nur bei Bauhaus und Hornbach im Trend. In Oberhausen eröffnete Ziesak (Hagebau) am 1. April seinen ersten, rund 2.000 m2 großen Drive-In-Baustoffbereich.
Was bedeutet jetzt das offensichtlich gestiegene Interesse der Branche an den härtesten Produkten des Hard-DIY? Dass die Baustoffe quasi als Nachfolger des über Jahre boomenden Gartenbereichs jetzt der große, zukunftsträchtige Umsatz- und Ertragsbringer sein werden, glaubt wohl niemand ernsthaft. Aber eine gewisse Abkehr, auch marketingtechnischer Art, vom lange propagierten Zukunftsfeld Soft-DIY ist doch feststellbar, nicht nur bei den neuen Märkten von Obi. Entdeckt man über die Baustoffe wieder „das Männliche“ im DIY-Sortiment? Wurden vielleicht die harten Kerle von der Heimwerkerfront durch ihrer Meinung nach zu viel „Gefühlsduselei“ und Deko-Schnickschnack verunsichert und aus den Baumärkten getrieben? Man mag darüber lächeln, aber da kann durchaus etwas dran sein.
Darüber hinaus kümmert man sich heute auch um Sortimente, die früher eher stiefmütterlich behandelt wurden: Sortimentsoptimierung eben, denn die Margen müssen überall stimmen, gleich ob im Garten oder bei den Baustoffen. Bevor man ein zehntel Prozent Rendite verschenkt, kümmert man sich jetzt verstärkt um seine Gipskartonplatten.
Und letztendlich geht man seitens des Baumarkteinzelhandels wohl auch tatsächlich offener und aggressiver den Baustofffachhandel an. Da sollen sich schon manche Baustoffhändler bei Baumärkten mit Zement eingedeckt haben, weil dieser dort preiswerter war als beim Lieferanten. Viele Fachhändler fürchten bereits, dass jetzt bei ihnen der Wind noch rauer pfeift als bisher schon, wenn die DIY-Händler auch noch verstärkt in ihren Revieren wildern. Bisher werden die Baumärkte noch wegen ihrer angeblich schlechteren Beratungsqualität auf diesem Gebiet belächelt. Doch da ist Vorsicht geboten. Denn oft genug haben die deutschen Baumarktbetreiber bereits bewiesen, wie schnell und flächendeckend sie neue Konzepte umsetzen können. Von dieser Geschwindigkeit können die Baustoffhändler nur träumen. Vielleicht wird aus dem Traum dann bald ein Albtraum.
Dr. Joachim Bengelsdorf
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