Hornbach: perfekte Inszenierung der Frühlingsgefühle von Projekt- und Garten-Kunden. Aber könnte man nicht mehr Lust auf ein konkretes Projekt machen, zum Beispiel mit „Allongen“,also im Anschluss an den Spot konkrete Projekte ansprechen?
Hornbach: perfekte Inszenierung der Frühlingsgefühle von Projekt- und Garten-Kunden. Aber könnte man nicht mehr Lust auf ein konkretes Projekt machen, zum Beispiel mit „Allongen“,also im Anschluss an den Spot konkrete Projekte ansprechen?

Branche | Langfassung

Warum DIY toll ist

Der Branche bläst der Wind ins Gesicht. Deshalb muss man sich fragen, wie aus Gegenwind Rückenwind gemacht werden kann, meint Jürgen Schröcker, und gibt einige Impulse. 

Anfang der 2000er Jahre war Hornbach der Vorreiter dabei, mit Werbung die Lust auf Projekte zu wecken. Weiteren Schub brachte später der Cocooning-Trend. Während der Pandemie erreichte das „Zuhause gestalten“ einen Höhepunkt. Aber jetzt herrscht Ernüchterung. Projekte der DIY-Kunden sind vollendet, neue werden nicht gestartet. Krieg und Inflation führten zu Verunsicherung und Kaufzurückhaltung. Will man die Menschen wieder verstärkt zum Besuch von Baumärkten bewegen, muss die Leidenschaft für DIY neu entfacht werden.

Breitenwirksame ­Kommunikation

Ein „Booster“ wäre die richtige Kommunikation. Die fängt beim Inhalt an. In Werbung und Websites von Handel und Industrie geht es zu oft nur um Produkt und Preis. Das „Projekt“ wird nicht gefeiert. Die Motive, Werte und Emotionen der Heimwerkerinnen und Heimwerker werden nicht angesprochen.

So bleibt auf der Strecke, warum DIY toll ist. Dass Menschen etwas Nützliches, Schönes, Praktisches schaffen, das eigene Zuhause verbessern. Dass dies Sinn stiftet. Dass man stolz auf seine Leistung sein kann, Anerkennung erfährt. Dass gerade in unserer digitalisierten, zukünftig von AR-Brillen und Metaverse geprägten Welt das „mit eigenen Händen etwas schaffen“ wertvoll ist. Dies müsste unsere Branche kommunizieren, wo immer es geht. Ob Bauhaus, bausep.de oder Bosch: würden alle an einem Strang ziehen, würden sich die Botschaften gegenseitig verstärken.  

Projekt-Werbungen sollte sich am FAN-Prinzip orientieren: Faszination, Anleitung, nötige Produkte und Services. Die aktuellen zeigen jedoch fast ausschließlich Produkte. Anleitungen mag man finden, wenn man sucht. Aber die Faszination, die bleibt auf der Strecke.

Eine bloße Aufforderung wie „jetzt Wände streichen“ wäre dabei zu kurz gesprungen. Besser wäre es, die Qualitätsaspekte des Projekts zu zelebrieren. Newsletter der Frankfurter „Hifi-Profis“ sind dafür gutes Vorbild. Da werden nicht nur Hifi-Anlagen angeboten, sondern immens teure High-End-Geräte gefeiert. Auch muss man vermitteln, warum es richtig ist, die Projekte anzugehen. Beispielsweise zur inflationsgeschützten Wertsteigerung des eigenen Zuhauses.

Vielleicht könnte man es schaffen, dass im Fernsehen DIY wieder mehr Raum bekommt. Mit spannenden Shows? Mit einem Wettbewerb zu „Germany’s next DIY-Champion“? Könnte der BHB dazu Initiativen entwickeln?

Werbung muss Impulse geben

Früher gaben breit gestreute Prospekte den Menschen Impulse. Weil ihre Effizienz nachließ, auch weil das viele bedruckte Papier nicht gerade nachhaltig ist, wurde ihr Einsatz massiv reduziert. So hat sich Kommunikation vom „Push“ zu „Pull“ verschoben: Die Endkunden bekommen ihre Projekt-Inspiration nicht mehr automatisch und kostenlos aus dem Briefkasten, sondern müssen sie eigeninitiativ aus dem Netz „ziehen“.

Das setzt Eigeninitiative voraus und ist oft mühsam. So auf hornbach.de: Zwar findet man neben „Sortiment“ rund 200 „Projekte“ gut aufbereitet. Aber das für mich interessante muss ich umständlich suchen. Dann gibt es beim „Projekt-Starter“ noch Prospekte online. Die verstecken sich leider unter „Mein Markt“, wo sie niemand erwartet.

Bauhaus beispielsweise transportiert viel Kompetenz in seiner Werbung.
Bauhaus beispielsweise transportiert viel Kompetenz in seiner Werbung. (Quelle: Screenshot Bauhaus)

Für den Kaufprozess der Kunden gibt es im Marketing den Begriff „Funnel“. Viele Werbetreibende fokussieren sich auf dessen letzte Stufen. Sie werben dort, wo Menschen schon gezielt Produkte suchen. Damit Kunden sich überhaupt mit Projekten beschäftigen, müsste man jedoch schon ganz vorne im Funnel Impulse geben.

Deshalb brauchte es wieder mehr Kommunikation mit Breitenwirkung. Die vielen Newsletter und Apps haben diese nicht. TV-Werbung hätte sie, kann aber nicht die nötige Vielfalt der Projekte zeigen. Folglich braucht es neue Ansätze.

Beispielsweise könnte Obi seine Social Media-Strategie dahingehend überarbeiten, dass Menschen mehr Lust auf Projekte gemacht wird, statt sich auf einfache „Hacks“ und kindischen Biber zu beschränken.

Mit diesen Herausforderungen sollten sich Handel und Industrie beschäftigen, statt über fehlende Nachfrage zu klagen.  

Die Stores attraktiv ­machen

Mal ehrlich: Viele Stores sind doch sehr trist. So richtig spannend ist ein Besuch in Baumarkt oder Fachhandel nicht, obwohl es so viel interessante Dinge zu entdecken gäbe.

Einen wesentlichen Beitrag dazu könnten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bieten. „Human Resources“ sind Erfolgsfaktor Nummer 1! Menschen fühlen sich gut, wenn sie positiv gestimmten Menschen begegnen – selbst dann, wenn Computer alle Fragen beantworten könnten.

Es gibt so viele Negativerlebnisse im Handel. Kaufhaus-Abteilungen, ausschließlich mit Sortimentskräften besetzt, ohne eigene Mitarbeiter; geschlossene Läden, sodass Menschen zum Online-Einkauf gezwungen werden, weil es in der Stadt so manches nicht mehr zu kaufen gibt.

Wenn man es wirklich möchte: Würde man es nicht schaffen, dass gerade Baumarkt-Mitarbeiter positive Erlebnisse gewähren?

Made in Germany ­revitalisieren?

Nach Adam Smith ist es dem Wohlstand der Nationen zuträglich, wenn jede das produziert, was sie am besten kann. Deshalb möchte ich Globalisierung nicht missen. Aber übertreiben wir es nicht ein bisschen?

Jürgen Schröcker 

war von 1999 bis 2013 bei  Hornbach für Marketing ­verantwortlich, ab 2004 als Vorstandsmitglied. 
Heute ist er ­Unternehmensberater für Marketing im Einzelhandel.

Jürgen Schröcker
(Quelle: Jürgen Schröcker)

Fast schon systematisch verlagern wir Kompetenz ins Ausland. Statt mit EC-Card zahlen wir in Europa per amerikanischen Apple-Pay, Visa oder Mastercard. Solar-Panel und Medikamente kommen aus Asien. Selbst einfache Massivholz-Produkte von Ikea sind „Made in China“. Und unsere Eisenwarenmesse ist fest in asiatischer Hand.

FSC-zertifiziertes Holz oder „Bio“ markieren wir selbstverständlich. Warum können wir nicht den deutschen oder europäischen Wertschöpfungsanteil eines Produkts markieren? Das könnten wir kommunizieren und kultivieren, wie ein kleines Pflänzchen wachsen lassen!

Das Bewusstsein für „Made in Germany“ würde nicht nur unsere Unabhängigkeit wieder fördern und die inländische Wirtschaft stärken, sondern für ein positiveres Gefühl im Land sorgen. Genau das könnten wir jetzt gut gebrauchen.

Baumarkt-Kampagnen im Frühjahr 2024

Der Kampagnen-Check

Die großen Baumarktbetreiber gehen traditionell mit breit angelegten Werbe-Kampagnen ins Frühjahr – so auch in diesem Jahr. Was meint Experte Jürgen Schröcker hierzu?

Toom
Toom

Toom dreht den Spieß um: „Stimmen die Angebote, kommen die Ideen“. In diesem Fall inspiriert das Angebot eines Pools zwei Kinder ihre Mama wegen eines Pools anzubetteln.

Zweifellos möchte Toom sich von den anderen Baumärkten absetzen und gleich zur Sache kommen: was zählt, sind die Angebote.

Ob die reichen, dass die Menschen auf Ideen und zu Toom kommen? Abwarten.

Die Wettbewerber sind sich einig: „Auf in den Garten“ – das ist überall zentrale Botschaft. Passt zur Saison. Da aber alle ähnlich werben, ist sie nicht besonders differenzierend.

Bauhaus

„Selbst gemacht tut gut“, lautet das Motto der Bauhaus-Kampagne. Der Frühjahrs-Spot zeigt Menschen, die im Garten selbst Hand anlegen. Es ist eine „Hymne auf die eigene Schaffenskraft“, welche den Selbstanbau von Gemüse, Obst und Kräutern feiert, so die Pressemitteilung des Unternehmens.

Die Botschaft passt zu Zeitgeist und Saison. Gartenfreunde werden bestätigt. Hoffentlich klappt der Transfer auf andere DIY-Projekte. Gemüse, Obst und Kräuter sind sicher nicht Umsatzschwerpunkt von Bauhaus.

Obi

Mit „Wir sind on fire“ ruft Obi dazu auf, im Frühjahr alles schön zu machen. Das ist gute Laune pur. Wenn sich die Kunden davon anstecken lassen, wäre es schön. Wie glaubwürdig der abschließende Claim „Alles machbar mit Obi“ ist, steht auf einem anderen Blatt.

Hornbach
Hornbach

Hornbach startet gleich mit zwei Spots. In „Jedes Frühjahr ein neuer Anfang“ windet sich ein Mann aus einem gelben Kokon und schließt sich Gleichgesinnten an, die schon im Garten werkeln. Exakt zum astronomischen Frühlingsbeginn folgte dann ein weiterer Spot „Willkommen im Frühjahr“.

Die Kampagne inszeniert exzellent und gewohnt ungewöhnlich die Frühlingsgefühle der Heimwerker. Leider bleibt das „Projekt“ ziemlich abstrakt. Um in der aktuellen Konsumstimmung Verbraucher zu aktivieren, hätte ich mir konkretere Impulse gewünscht.

Das ist dann auch das Manko, das alle Kampagnen haben: Sie setzen auf „Gartenarbeit“ und bauen auf dem Eigenantrieb der Kunden. Menschen erst einmal zum DIY zu motivieren, das ist nicht ihr Ziel. Wie größere Projekte das Lebensumfeld eines Menschen spürbar verbessern, wird nicht vermittelt. „Wohnung“ oder „Haus“ kommen kaum vor. Wände oder Fassade streichen, mit Tapeten gestalten, Parkett oder Fliesen legen, das Bad renovieren, einen Weg anlegen, Zaun bauen, Gartenhaus oder Geräteschuppen selbst bauen, … DIY-Projekte könnten vielschichtiger sein. Aber es ist ja erst Frühling. Wer weiß, was im Laufe des Jahres noch kommt.

Die Kampagnen im Vergleich – bewertet mit 0 bis 10 Punkten je Kriterium, bezogen auf ihre Wirkung, Menschen zum DIY zu motivieren.

 

Dies ist die Langversion des Beitrags aus der Printausgabe diy 5/2024

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