Die Wiederentdeckung der Zielgruppen

Sie klingen noch nach, die Klagen über die Uniformität der Baumärkte. Alle, so meinten die Kritiker, wollen alle Bedürfnisse aller Kunden befriedigen und bieten deshalb möglichst umfangreich Sortimente auf möglichst großen Flächen in möglichst vielen Preisgruppen. Der negative Effekt dabei: Die einzelnen Anbieter verlieren für die Kunden an Profil und werden letztlich austauschbar. Begründet wurde diese Überlebensstrategie in einer Branche, in der eine Konsolidierungsprophezeiung die andere jagt, mit dem angeblich multioptionalen und hybriden Kunden, der mal auf Marke setzt, mal auf den Preis und dann wieder auf Beratung oder Service.
Doch inzwischen haben zumindest zwei der Player die Zielgruppen wiederentdeckt und setzen stärker auf Differenzierung, Profilierung und gezielte Kundenansprache.
So hat Toom jüngst mit der Eröffnung des ersten „Wow“-Marktes in Bad Säckingen Zeichen gesetzt (siehe Seite 20).  Das Konzept, auf der Basis des bereits erprobten Casa Lea-Projektes, wendet sich durch ein ambienteorientiertes Ladenlayout klar an anspruchsvolle Kunden und Kundinnen, die Angebote und Serviceleistungen für die Umsetzung gehobener Bau- und Wohnideen suchen. Der reine Bedarfskäufer rückt eher in den Hintergrund. Der Markt steht jetzt unter besonderer Beobachtung und es wird sich zeigen, ob er vom „Wow“- zum „Gau“-Markt mutiert oder für Toom zum Erfolgsmodell der Zukunft.
Praktiker besetzt dagegen mit seinem „Easy-to-shop“-Konzept das andere Ende der Skala. Sechs Märkte testen die Kirkeler derzeit in Deutschland (siehe Seite 12); und wenn alles glatt geht, soll das Konzept bereite 2008 weitgehend flächendeckend verfügbar sein. Entlang von Trends wie „Simplify your life“ setzt Praktiker damit auf reduzierte Sortimente, klare Preisstrukturen und noch bessere Selbsterklärlichkeit der Produkte und Outlets. Salopp gesagt, wendet sich Praktiker damit nicht an den Spaßheimwerker, sondern an den zweck- und preisorientierten Mussheimwerker. Dass durch die Reduzierung von Sortiment und Lieferanten auch erhebliche Einspareffekte in Verwaltung und Logistik einhergehen müssen, versteht sich von selbst.
Stellt sich die Frage, wie viel Differenzierung der Markt letztlich verträgt, für wie viele Zielgruppenkonzepte die Branche Platz bietet. Denn dadurch ergeben sich auch Hinweise auf den Prozess der wohl unvermeidlichen Konsolidierung. Anhaltspunkte liefern hier nicht nur Marktanalysten und Studien, von denen in jüngster Vergangenheit einige erschienen sind, sondern auch Zielgruppenkonzepte und Kundenprofile von Herstellerseite. Mit Toom und Praktiker jedenfalls scheren zwei aus dem Gleichschritt des Baumarkt-Trosses aus und beschreiten rechtzeitig eigene, erfolgversprechende und zukunftsfähige Wege.
Harald Bott
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