BHB-Kongress in Bonn

„Innovation, Veränderung, Zukunft, Kunde“

Für 2026 rechnet Branchenkenner Klaus Peter Teipel mit keinem echten Wachstum; er prognostiziert dem DIY-Handel ein Plus von 0,2 Prozent. (Quelle: BHB/Götz)
Für 2026 rechnet Branchenkenner Klaus Peter Teipel mit keinem echten Wachstum; er prognostiziert dem DIY-Handel ein Plus von 0,2 Prozent. 
27.11.2025

Die Baumärkte in Deutschland verzeichnen in diesem Jahr ein Umsatzminus von 1,3 Prozent und kommen auf einen Umsatz von rund 24,7 Mrd. Euro. Diese Hochrechnung hat der Marktexperte Klaus Peter Teipel heute zum Einstieg in den zweiten Tag des BHB-Kongresses in Bonn präsentiert. Den längerfristigen Trend, wonach die Baumärkte seit 2021 im Minus liegen, können man nicht wegdiskutieren. Gleichzeitig müsse man sehen, dass „andere Vertriebswege zum Teil deutliche Zuwächse“ verzeichnen. Er nannte dabei den Lebensmitteleinzelhandel und insbesondere die Discounter und Restpostenmärkte: „Kommen diese Kunden wieder?“, fragte Teipel in die Runde. Für 2026 rechnet Teipel mit keinem echten Wachstum; er prognostiziert dem DIY-Handel ein Plus von 0,2 Prozent. Erst 2027 oder 2028 könnte die Branche dann davon profitieren, dass aktuell die Baugenehmigungen und Bauinvestitionen wieder anziehen. Der Branchenexperte stellt den Baumärkten im Kampf gegen branchenfremde Anbieter kein gutes Zeugnis aus. „Die konzeptionelle Trägheit zeigt sich durchweg“, auch wenn es Ausnahmen gebe. „Ich sehe keine Pilotierungen, Sie gehen kein Risiko ein“, meinte Teipel.

(Quelle: BHB/Götz)

Den gestrigen Kongresstag fasste BHB-Geschäftsführer Peter Wüst mit den Begriffen „Innovation, Veränderung, Zukunft, Kunde“ zusammen. Durchgängige Themenstränge waren das gemeinsame Handeln als Branche und der Umgang mit Innovationen. Den Schlusspunkt des ersten Kongresstages setzte ein Podiumsdiskussion mit Nikolaus Blome. Der RTL- und frühere Bildzeitungsjournalist hatte zuvor einen kurzen Abriss des aktuellen politischen Geschehens in Berlin gegeben. Seiner Analyse zufolge hat Bundeskanzler Merz die von ihm selbst geweckten Erwartungen, seine Regierung werde die Stimmung im Land drehen und eine Politik des „einfach mal machen“ etablieren, nicht erfüllt. Seinen Begriff der „Veränderungssperre“ machte Blome insbesondere an der Rentendiskussion fest. Den Zuhörern gab er eine Überlegung mit auf den Weg: Er finde es manchmal „überraschend, wie abschätzig die Wirtschaft, die Unternehmen auf die Politik schauen“. Auch in Firmen laufe es nicht so, dass einer einfach sage, was gemacht werden soll. Wenn das produzierende Gewerbe über die Auslagerung aus Deutschland nachdenke, müsse die Wirtschaft auch bedenken, dass sie „natürlich Teil eines großen Spiels um diese Demokratie“ sei. „Was sagt Ihnen der Begriff Standortpatriotismus?“, fragte Blome.

In der Podiumsdiskussion merkte Felix Muxl von der Gruppe Nymphenburg. an, die Baumarktbranche beschäftige sich meistens mit Renovation und nicht mit Innovation. Björn Watzlawik von Bosch Power Tools mahnte mehr Geschwindigkeit und Entscheidungsfreudigkeit an, wie er sie bei seiner Arbeit in Osteuropa kennengelernt habe. Toom-CEO Jochen Vogel fordert aus aus seiner langjährigen Erfahrung im LEH heraus auch von der Baumarktbranche: „Wir müssen viel näher an den Kunden ran.“ Er, der seit Sommer 2025 an der Spitze von Toom steht, sagte über den Kongress, den Verband und die Branche: „Das ist schon besonders hier.“ Zusammen habe man viel mehr Kraft, also: „Lasst uns die Themen angehen.“

Zeitenwende, KI und Relevanz beim Kunden

Was passierte noch an diesem Kongresstag? In seinem Vortrag „Agenda 2035 – was die besten Unternehmen morgen können müssen“ widmete sich Prof. Dr. Arnold Weissmann den aktuellen Megatrends, der betrieblichen Transformation und vier zentralen Feldern der digitalen Entwicklung. Gleich zu Beginn machte er deutlich, dass sich die Welt politisch wie ökonomisch in einer Zeitenwende befinde. Statt Globalisierung dominiere inzwischen eher die Deglobalisierung, um „Klumpenrisiken“ bei Abhängigkeiten und Lieferketten zu reduzieren. Digitalisierung bedeute in diesem Zusammenhang vor allem, Menschen, Technologien und IT intelligent zu vernetzen, um die wachsende Komplexität beherrschbar zu machen.

Nach Einschätzung Weissmanns wird es auch in den kommenden Jahren zu weiterer Stagnation kommen. Umso dringlicher seien jetzt die notwendigen Veränderungen. Jedes Unternehmen müsse daher seine eigene Agenda 2035 entwickeln.

Dr. Tim Wirtz vom Fraunhofer IAIS erläuterte anschließend, wie der Transfer neuer Technologien aus der Forschung in die Wirtschaft gelingen kann. Treiber für neue Geschäftsmodelle seien Markt- und Wettbewerbsdruck, interne Belastungen, steigende Kundenanforderungen sowie der allgemeine Konsumrückgang. All diese Faktoren eröffneten Ansatzpunkte für Innovationen – und insbesondere für den Einsatz von KI.

Besonders hob Wirtz das Potenzial sogenannter „Agentic AI“ hervor, die sich deutlich von der bekannten generativen KI, wie etwa ChatGPT, unterscheide. Agentic AI arbeite autonom, könne Entscheidungen treffen und Aktionen ausführen, verfüge über ein Langzeitgedächtnis und agiere zielorientiert, planend und proaktiv.

Wie Unternehmen für ihre Kunden relevant bleiben können, damit hat sich der aktuelle Einzelhandels-Index des Beratungsunternehmens OC&C befasst. Da gibt es zwei Dimensionen, meint Strategieberater Lars Luck: Die Relevanz im Kopf des Kunden (wen findet man am besten?) sei nicht identisch mit der Frage, wo der Kunde letztendlich kauft. „Nur wenn man beides zusammenbringt, ist man nachhaltig erfolgreich“, hielt er fest. Und das entscheide sich weniger über den günstigsten Preis und eher über Auswahl, Einfachheit, Service und Vertrauen. „Produktqualität und passende Produkte zahlen auf beides ein“, hält Luck fest.

"Make Regalpflege great again"

Technologien haben längst die Baumarktbranche erobert. Das sieht man etwa am Beispiel Hornbach, wo sie seit der Wende für einen nachhaltigen Schub gesorgt haben. Dieser Schub sei jedoch nicht geradlinig, erläuterte Hornbach-CTO Dr. Andreas Schobert, es gebe immer wieder Technologiesprünge und Phasen, in denen der Erfolg erst einmal auf sich warten lässt. „Technologien wie das Internet of Things halten auch im Home Improvement Einzug“, erklärte Schobert, weshalb Hornbach sich besonders mit dem Thema Smart Home beschäftigt. Wichtig sei aber nicht nur die Nutzung von Daten, es komme auch auf eine gute Datenbasis an. „Make Regalpflege great again“, unterstrich er.

Kunden geht es bei der Nutzung von Handels-Apps vor allem darum, Geld zu sparen. Das hat eine Studie der DHBW Heilbronn ergeben. Personalisierung sei dabei nachrangig, berichtete Studiengangsleiter Prof. Dr. Carsten Kortum. Gleichzeitig brächten die Couponing-Programme oft nicht die gewünschte Kundenbindung. „Coupons machen Kunden illoyaler, 80 Prozent wechseln den Händler wegen der Coupons“, so Kortum weiter. Programme existierten bei fast allen Händlern, haben die Studienautoren herausgefunden, es gibt aber wenig Differenzierung.  Eine Personalisierung auf Nutzenbasis (nicht nur über Rabatt), die Orchestrierung aller Touchpoints und die Aktivierung von Echtzeitdaten sieht er als Erfolgsfaktoren in der Kundenbindung.

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